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  • Politik

Tempo 30 in Schweizer Gemeinden? Die Autolobby bremst

31.01.2025 – Stéphane Herzog

In der Schweiz sind Temporeduktionen in Wohngebieten politisch hart umkämpft. Städte und Gemeinden möchten weitere Projekte umsetzen, doch die Autoverbände reichen überall im Land Einsprachen ein.

Viele Schweizer Städte und Gemeinden haben die Höchstgeschwindigkeit auf Strassen in Wohngebieten von 50 km/h auf 30 km/h gesenkt. Dies hat Vor- und Nachteile. Es zwingt einerseits, so langsam zu fahren, dass man leicht das Gefühl bekommt, sich über die Strasse zu schleppen. Auf der anderen Seite reduziert Tempo 30 den Verkehrslärm, und die Zahl der Unfälle in den Ortschaften gehen gemäss Angaben der Beratungsstelle für Unfallverhütung um ein Drittel zurück. Kein Wunder, haben die Gemeinden ein Interesse daran, diese Massnahme nicht nur in Stadt- und Dorfkernen einzuführen, sondern auch an der Peripherie, sobald eine Strasse in der Nähe von Siedlungen durchführt. In der Stadt Lausanne hat eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h auf den Hauptverkehrsachsen die Nachtruhe von fast 33 000 Bewohnerinnen und Bewohnern verbessert. In Köniz (BE) wurde die Einführung von Tempo 30 auf einer Hauptverkehrsache von den Anwohnenden schon vor Jahrzehnten begrüsst – damals eine Pioniertat. Es gibt zahlreiche weitere Beispiele.

Dennoch provoziert die Beschneidung des Rechts, in einem Wohngebiet mit 50 km/h zu fahren, noch immer heftige Reaktionen. Die Auseinandersetzung wurde kürzlich von Nationalrat Peter Schilliger, Vorstandsmitglied des Touring Clubs der Schweiz (TCS), ins Bundesparlament getragen. Der FDP-Politiker stellt den Handlungsspielraum der Gemeinden in dieser Sache in Frage. Er ist der Meinung, dass das Tempo auf «verkehrsorientierten» Strassen innerorts grundsätzlich auf 50 km/h begrenzt werden soll. Die Mehrheit des Parlaments sieht dies gleich. Schilligers Einspruch hat Früchte getragen. So stimmte der Regierungsrat des Kantons Bern einem Moratorium für Tempo 30 auf solchen Strassen zu, ein Beispiel, auf das Michael Rytz, Projektleiter für Verkehrssicherheit beim Verkehrsclub der Schweiz (VCS), verweist.

Das Bundesgericht verteidigt die Gemeinden

Die Interessenverbände der Automobilisten sind zur Stelle, wenn es zu reagieren gilt. Beispielsweise 2021 in Basel, wo das Amt für Mobilität des Kantons Basel-Stadt Tempo 30 auf der Feldbergstrasse zwischen Rhein und Bahnhof anordnete. Der TCS und der Automobilclub der Schweiz (ACS) erhoben Einsprache. Der Fall ging bis vor Bundesgericht, das die Klage abwies. «Mit der Herabsetzung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 als rasch umsetzbare, nachhaltige und kostengünstige Massnahme an der Quelle kann die Luft- und Lärmbelastung auf der Feldbergstrasse wirksam reduziert werden.» Die Richter entkräfteten auch andere Argumente. Eine Temporeduktion auf einer «verkehrsorientierten» Hauptverkehrsstrasse sei möglich. Die Massnahme beeinträchtige zudem die Durchfahrt von Notfallorganisationen nicht, da diese von Tempo 30 abweichen könnten. Ebenso wenig beeinträchtige sie die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Verkehrs. Zum selben Schluss kam das höchste Schweizer Gericht in einem anderen Fall in Bern. Es sei Aufgabe der lokalen, mit den örtlichen Gegebenheiten vertrauten Behörden, die Geschwindigkeit festzulegen, befand das Bundesgericht. Genau das bekämpft die Motion Schilliger.

Automobilverbände und andere Akteure, darunter etwa Vertreter von Polizeigewerkschaften, lassen sich von diesen Urteilen nicht beirren: Sie sind der Meinung, dass diese Politik gegen die Verkehrsfreiheit und sogar gegen die Sicherheit verstösst. In Genf wurde ein Vorhaben zur Temporeduktion auf 450 Verkehrsachsen, getragen vom ehemaligen Staatsrat des Departements für Gesundheit und Mobilität, Serge Dal Busco, durch sechs Einsprachen blockiert. Sein Nachfolger Pierre Maudet versuchte, die Beschwerdeführer mit einem Verzicht auf Tempo 30 bei einigen Strassen zum Rückzug ihrer Einsprache zu bewegen. Doch eine Einsprache, die von einem Polizisten, der Gewerkschaft der Kriminalpolizei und dem Personalverband des Polizeikorps eingereicht wurde, bleibt bestehen und blockiert den gesamten Prozess. Dabei sind in Genf mindestens 120 000 Personen von übermässigem Strassenlärm betroffen.

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