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Mit fast 60 Prozent Zustimmung stellten sich die Schweizer Stimmberechtigten am 18. Juni 2023 klar hinter das Klimaschutz-Gesetz. Es verankert den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Erdöl und Gas. Doch um die C02-freien Alternativen zeichnen sich neue Konflikte ab.
«Die Bevölkerung hat ein ambitioniertes Ziel gesetzt», erklärte Bundesrat Albert Rösti (SVP) nach dem Urnengang. Der Energie- und Umweltminister – erst seit Januar Mitglied der Landesregierung – vertrat das vom Parlament beschlossene Klimaschutz-Gesetz gegen den Willen seiner Partei. Die SVP sah bei einer Abkehr von Öl und Gas die sichere Energieversorgung der Schweiz in Gefahr und bekämpfte das «Stromfresser-Gesetz» per Referendum. Die Mehrheit des Stimmvolks folgte aber der Ja-Parole aller anderen Parteien: 59,1 Prozent bekannten sich zum Erreichen der Klimaneutralität bis ins Jahr 2050. Die Auslandschweizerinnen und -schweizer stellten sich gar zu 76,8 Prozent hinter dieses Ziel.
Das Klimaschutz-Gesetz schreibt vor, dass Industrie, Verkehr und Privathaushalte den Ausstoss umweltschädlicher Treibhausgase in den nächsten drei Jahrzehnten stark reduzieren müssen. Nötig sind im Gegenzug massive Investitionen in CO2-freie Technologien. Das Parlament stellt dafür Fördergelder in der Höhe von insgesamt 3,2 Milliarden Franken zur Verfügung. Dadurch sollen etwa Hausbesitzende motiviert werden, ihre klimaschädliche Öl- oder Gasheizung durch eine Wärmepumpe zu ersetzen. Auf den Strassen werden zunehmend Elektrofahrzeuge die heutigen Benzin- und Dieselkarrossen ablösen. Industrie und Gewerbe müssen auf eine klimaschonende Produktion umstellen.
Für Umwelt- und Energieminister Rösti ist das sogenannte Netto-null-Ziel jedoch nur dann zu erreichen, wenn die Schweiz mehr einheimischen Strom produziert. «Wir können uns nicht einfach auf Importe verlassen.» Rösti hofft darauf, dass das Parlament das neue Gesetz über eine sichere Stromversorgung noch im September verabschiedet. Mit der Vorlage sollen Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie mehr Schub erhalten. In der politischen Debatte ist jedoch umstritten, wie weit neue Staumauern, Windräder oder Solarkraftwerke Natur und Landschaft beeinträchtigen dürfen. Je nach Ausgang der Parlamentsberatung könnte es auch bei diesem Gesetz zu einem Referendum kommen – und in der Folge zu einer weiteren Volksabstimmung.
Bürgerliche Parteien und Wirtschaftsverbände zweifeln, ob die erneuerbaren Energien den Strombedarf der Schweiz künftig decken werden. Noch am Abstimmungssonntag kamen deshalb Forderungen nach neuen Atomkraftwerken aufs Tapet. Auf die «klimaschonende» Energie aus der Kernspaltung dürfe man nicht leichtfertig verzichten, so der Tenor bei FDP und SVP. Nur: Der Bau neuer Kernkraftwerke ist in der Schweiz seit 2017 gesetzlich verboten. Damals hiess das Stimmvolk die Energiestrategie 2050 gut – inklusive Ausstieg aus der Atomkraft.
Doch die Dringlichkeit des Klimawandels sowie die Sorgen um genügend Strom könnten für ein Umdenken sorgen – und den geplanten Atom-Ausstieg zumindest verzögern. So plädiert auch SVP-Bundesrat Rösti dafür, die bestehenden Schweizer AKWs noch möglichst lange laufen zu lassen, «solange die Sicherheit gewährleistet ist». Dazu wären aber teils kostspielige Nachrüstungen nötig. Offen ist, ob die AKW-Betreiber dieses Geld überhaupt investieren wollen. 2019 nahm der Energiekonzern BKW das Atomkraftwerk Mühleberg vom Netz, weil sich dessen Weiterbetrieb wirtschaftlich schlicht nicht mehr lohnte.
«Die Bevölkerung hat ein ambitioniertes Ziel gesetzt.»
Bundesrat
Auch mit der Atomfrage dürfte sich das Stimmvolk in ein paar Jahren erneut beschäftigen. Ein bürgerliches Komitee sammelt unter dem Titel «Blackout stoppen» Unterschriften für eine Volksinitiative, die das geltende AKW-Verbot rückgängig machen will. So sollen in der Verfassung «alle klimaschonenden Arten» der Stromerzeugung als zulässig erklärt werden. Auf linker Seite hat man für die «ideologische Verklärung» der Atomkraft nur ein Kopfschütteln übrig. Wenn man die erneuerbaren Energien wie vorgesehen ausbaue, komme es auch im Winter zu keiner Stromlücke, betont Energiepolitiker und SP-Nationalrat Roger Nordmann. Bei den linksgrünen Parteien sieht man nebst Wasser- und Windkraft ein grosses, bislang ungenutztes Potenzial bei Solaranlagen auf Gebäuden.
Gewinnerin des Abstimmungssonntags ist die überparteiliche Klima-Allianz. Beflügelt vom Volks-Ja erwartet sie nun von der Schweiz, «ihre Ambitionen zu erhöhen». Mehr Elan fordern die Klimaschützer insbesondere bei der anstehenden Revision des CO2-Gesetzes. Die Vorlage, die derzeit vom Parlament beraten wird, reiche nicht aus, um die Klimaschutz-Ziele rechtzeitig zu erreichen. In der Verantwortung sieht die Klima-Allianz auch den Finanzplatz. Schweizer Banken sollen «klimazerstörerische Grosskonzerne» zum Umdenken und Handeln bringen. Ihren Forderungen Nachdruck verleihen will die Bewegung am 30. September mit einer Klimademo auf dem Bundesplatz in Bern – drei Wochen vor den eidgenössischen Wahlen.
Am Urnengang vom 18. Juni – dem letzten im Wahljahr 2023 – kamen zwei weitere Vorlagen zur Abstimmung. Auch dabei folgten die Stimmberechtigten der Empfehlung von Regierung und Parlament. Sie sagten sowohl Ja zur Einführung einer globalen Mindeststeuer für Grosskonzerne wie auch zu einer vorsorglichen Verlängerung des Covid-Gesetzes bis Ende 2024.
Am 18. Juni haben die Schweizer Stimmberechtigten über drei Vorlagen abgestimmt.
Die Stimmberechtigten sagten zu 59,1 Prozent Ja zum Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit. Dadurch soll die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden.
Mit 78,5 Prozent stellte sich eine Mehrheit hinter die Einführung einer Mindestbesteuerung für grosse international tätige Unternehmensgruppen. Mit der Reform beteiligt sich die Schweiz an einem Projekt von OECD und G20.
61,9 Prozent stimmten einer vorsorglichen Verlängerung des Covid-19-Gesetzes bis Ende 2024 zu. Dadurch könnten im Bedarfsfall die Covid-Zertifikate reaktiviert werden – zum Beispiel für Einreisen in andere Länder.
Kommentare
Kommentare :
Isn't the 'clear majority' statement a little bold? Considering less than half the eligible voters participated. It may be that these issues are not so important to the majority of Swiss. Or is it that most of us see carbon neutrality by 2050 an incredible ask? The increase in electricity prices certainly doesn't affect the politicians pocket as much as it does the pensioned or below average income households. The UN couldn't achieve carbon neutrality over 27 years of varying accords and billions spent, but let's give it another go. Making sure we get our cut of the OECD pie is good, but won't benefit most of us in real terms, and just having the word "covid" in the last question I think deterred the 'majority' from turning out to vote completely.
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Genau, gut gibt es noch Menschen, die nicht der grünen Weltuntergang-Angstmache auf den Leim gehen und bei einer gesunden Wahrheit bleiben, danke.
Wir erlebten dieses Jahr den global heisseste Juli, seit es Wettermessungen gibt. Die Meeresoberfläche ist global so warm, dass es sogar die pessimistischen Prognosen übertroffen werden. Und in der Folge brennt in der Schweiz der Schutzwald (Wallis), in Kanada verbrennen quadratkilometerweise Wald – und Maui liegt in Schutt und Asche. Und nun wird hier behauptet, das CO2 sei auf dem Tiefststand! Ich bin entsetzt. Ich habe kein Verständnis für solches Geschwafel, das im Kern eine infame Hetze ist gegen all jene, die dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen versuchen oder schon nur hoffen, dass unseren Kindern eine "erlebbare" Welt bleibt. Eigentlich bin ich auch enttäuscht von der sonst so ausgewogenen Swiss Review, dass sie einen solchen Kommentar überhaupt publiziert.
Kann es sein, dass Sie CO2 mit O verwechseln? Ich kann Ihnen diesen Fehler entschuldigen - das Leben auf dieser Erde aber nicht.
Les verts voient le danger partout, il faut être raisonnable, et ne pas faire peur à la population.