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Premiere in Spitzenamt: Mit Alain Berset ist erstmals ein Schweizer Generalsekretär des Europarats. Berset will diesen stärken. Und er dürfte auch seinem Heimatland zu mehr Sichtbarkeit in Europa verhelfen.
Mittendrin und doch nicht dabei: Die Schweiz geht in Europa ihren eigenen Weg. Wenn sich Regierungsspitzen treffen, ist sie daher häufig nicht vertreten. Die Schweizer Bevölkerung ist der Europäischen Union (EU) gegenüber mehrheitlich skeptisch eingestellt, wie Umfragen regelmässig zeigen. Bemühungen, sich der EU anzunähern, haben politisch einen schweren Stand. Zu verbreitet ist die Angst, an Souveränität und Wohlstand einzubüssen.
Einer Mehrheit scheint es daher zu genügen, dass die Schweiz auf der europäischen Politbühne eine Nebenrolle spielt. Es ist daher bemerkenswert, wie im Frühjahr alle Parteien dafür geweibelt haben, dass der Ende 2023 aus dem Bundesrat zurückgetretene Sozialdemokrat Alain Berset Generalsekretär des Europarates wird. Von den Grünen bis zum rechten Rand der SVP war man sich einig: Man will die seltene Chance nutzen, diesen gewichtigen Posten zu besetzen.
Die Premiere ist geglückt: Seit dem 18. September 2024 ist Alain Berset im Amt. Der 52-Jährige residiert in einer prächtigen Residenz in Strassburg. Er führt mehr als 1800 Mitarbeitende und verantwortet ein Budget von rund 625 Millionen Franken. Er ist für die strategische Planung des Europarates verantwortlich und übernimmt repräsentative Aufgaben. Nach der eher zurückhaltenden Kroatin, Marija Pejčinović Burić, tritt Berset mit einem klaren Führungsanspruch und grossem Gestaltungswillen an. Er will der Organisation, die sich für Menschenrechte einsetzt und auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) umfasst, mehr Gewicht geben. Seinem Heimatland dürfte Berset ebenfalls zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Nicht, weil er deren Interessen einbringen könnte. Sondern als Vertreter einer Nation, die in Konflikten vermittelt und auf ihre Tradition der «Guten Dienste» stolz ist.
Die Schweiz werde in Europa weniger isoliert sein, sagt Helen Keller, die als Richterin am EGMR tätig war. «Sie hat ein starkes Aushängeschild in einer führenden Organisation erhalten», so die Rechtsprofessorin. In dieser Schlüsselposition vertreten zu sein, habe für die Schweiz besondere Bedeutung, da sie nicht Mitglied der EU sei. Alain Berset bringe alles mit, um dem Europarat ein wichtiges Gesicht zu geben.
Diese Art, in Europa mitzuwirken, ist breit abgestützt. Die Schweiz werde in ihrer Vermittlerrolle gestärkt, sagt SVP-Politiker Alfred Heer. Er präsidiert die Schweizer Delegation in der parlamentarischen Versammlung des Europarats (PVER) und berichtet, dass ihr merklich mehr Respekt entgegengebracht werde. «Es ist immer hilfreich, wenn man einen Landsmann an der Spitze hat.» Heer betont jedoch, dass der Generalsekretär dem Europarat als Ganzes und damit 46 Staaten verpflichtet sei. Dass Berset nicht aus einem EU-Land kommt, bezeichnet er als Vorteil: «Ich hoffe doch sehr, dass der Europarat mit Alain Berset wieder eine aktivere Rolle spielen kann, wenn es um die Beilegung von Konflikten geht.»
Wie Berset als neuer Generalsekretär wiederholt betonte, will er der Unterstützung der Ukraine Priorität einräumen. «Die ihr zugefügten Schäden müssen kompensiert werden», sagt er. Um die Entschädigungszahlungen dereinst berechnen zu können, möchte der Europarat die Folgen des russischen Angriffs dokumentieren. Berset will die Organisation insgesamt stärken. Er will gegen Desinformation und die Manipulation von Informationen vorgehen, die dank Künstlicher Intelligenz neue Formen angenommen hat. Anlässlich seiner Wahl sprach er von der grossen Verantwortung, die er übernehme. Der Europarat engagiere sich für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. «Das sind die Werte, die unseren Kontinent stabil machen, und dafür müssen wir uns jeden Tag engagieren.»
Berset bewegt sich auf dem internationalen Parkett souverän. Er ist charismatisch, eloquent und selbstsicher. Als Jugendlicher feierte er im Laufsport zahlreiche Erfolge und wurde Westschweizer Meister über 800 Meter. Ebenso zielstrebig verfolgte der Freiburger seine politische Karriere. 2003 wurde er mit 31 Jahren – und damit als jüngstes Mitglied – in den Ständerat gewählt. 2011 schaffte er die Wahl in den Bundesrat.
Als Vorsteher des Innendepartements war Berset unter anderem für das Gesundheitswesen und die Sozialpolitik zuständig. 2018 und 2023 präsidierte er die Landesregierung und vertrat sie auf höchster Ebene. Spätestens da zeigte sich, dass Berset die grossen Auftritte liegen. Etwa beim Staatsbesuch des französischen Präsidenten, Emmanuel Macron, in Bern oder bei Auftritten neben Donald Trump und Olaf Scholz. Mit dem Etikett «Schweizer Staatsmann» konnte der Romand im Rennen um den Posten des Generalsekretärs denn auch punkten: Seinen Mitbewerbern Indrek Saar (Estland) und Didier Reynders (Belgien) fehlten entsprechende Erfahrungen.
Berset ist krisenerprobt. Besonders herausgefordert war er während der Corona-Pandemie. Als Gesundheitsminister stand er von Beginn weg im Rampenlicht. Für die im internationalen Vergleich moderaten Einschränkungen des öffentlichen Lebens erntete er – wie der gesamte Bundesrat – viel Lob. Gleichzeitig sah er sich mit heftiger Kritik aus jenen Kreisen konfrontiert, die sich etwa gegen Kontaktbeschränkungen oder das Tragen von Hygienemasken wehrten.
Berset sah sich in seiner Amtszeit zudem mit einem Erpressungsversuch einer ehemaligen Geliebten konfrontiert. Im Sommer 2022 erregte er mediale Aufmerksamkeit, als er auf einem privaten Flug mit einer Cessna 182 in Frankreich von zwei Kampfjets abgefangen wurde. Zu all diesen «Affären» musste sich der SP-Politiker unbequeme Fragen stellen lassen, die er selbstbewusst parierte. Sein nonchalantes Auftreten, wie es Kritiker und Kritikerinnen bezeichneten, mag Berset einige Sympathiepunkte gekostet haben. Sein Image blieb insgesamt jedoch positiv. Die Bevölkerung stufte ihn auch in seinem letzten Amtsjahr als einflussreichstes Mitglied des Bundesrates ein.
Für eine starke Figur sprach sich nun auch die PVER aus. Die Herkunft spiele immer eine Rolle, sagte Alain Berset dem «Tages-Anzeiger». Er habe sich als Freiburger in den Bundesrat eingebracht und werde sich nun als Schweizer im Europarat einbringen. Übrigens: Die Kritik am Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall der Schweizer Klimaseniorinnen (siehe «Schweizer Revue» 4/2024) teilt er nicht. Die Schweiz habe die Menschenrechtskonvention ratifiziert und sei verpflichtet, Entscheide des Gerichtshofs in Strassburg umzusetzen, sagt Berset.
Und: «Wir liegen im Zentrum von Europa, und unsere Werte sind auch die europäischen.»
Kommentare
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Dann sollte Berset dringend die vielen Schweizer MRK-Verletzungen wie FFE (in Italien seit 1978 abgeschafft) oder die MRK-widrigen Zustände in den Gefängnissen zuerst in der Schweiz beheben. Als Bundesrat hat er das, nicht getan. Soll es nun weiter weg, ausser Landes gelingen? Im Gegenteil, er hat die BV mehrfach verletzt und und zeitweise ohne Parlamentsauftrag wie ein waschechter Diktator regiert (Corona). Auch hat er eine Aufarbeitung seiner vielen Fehlleistungen gekonnt verhindert. Nun kommt der Feind auch noch von Innen. Bersets Job ist, die die Schweizer Bevölkerung von Strassburg oder Brüssel aus als Identifikationsfigur zu ködern. Dieser Beitrag ist, zugegeben meisterlich von Spin-Doctors verfasst und reine EU-Werbung.
EWG statt EU. Der EWG, die Wirtschaftsgemeinschaft und Zollunion der europäischen Völker, funktionierte Jahre lang ohne den nutzlosen aber umso teuren Brüsseler Wasserkopf. Um Europa finanziell zu kolonisieren, brauchte der Tiefe Staat eine gemeinsame europäische Währung und eine gesamteuropäische Regierung samt Institutionen, die für den Euro die Garantien übernimmt.