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Bei der parteipolitischen Zusammensetzung des Bundesrates bleibt die vielbeschworene «Zauberformel» bestehen: Die vier grössten Parteien teilen die sieben Regierungssitze unter sich auf. Doch das Unbehagen gegenüber dem «Machtkartell» wächst.
Die Erneuerungswahlen des Bundesrates vom 13. Dezember 2023 standen ganz im Zeichen der Kontinuität. Eine Mehrheit des Parlamentes wollte nicht an den bisherigen Machtverhältnissen rütteln. So setzt sich der Bundesrat auch in den nächsten vier Jahren aus je zwei Mitgliedern von SVP, SP, FDP sowie einem Mitglied der Mitte zusammen.
Das ungeschriebene Gesetz der «Zauberformel» sieht eine Koalitionsregierung vor, in der die vier grössten Parteien gemäss ihrem Wähleranteil vertreten sind. Nach dem Wahlsieg der SVP und dem Erstarken der SP waren deren Machtansprüche unbestritten. Die beiden grössten Parteien repräsentieren Wähleranteile von 27,9 Prozent (SVP) beziehungsweise 18,3 Prozent (SP).
Deutlich weniger abgestützt ist der Machtanspruch der drittplatzierten FDP: Sie erreichte nach den eidgenössischen Wahlen noch eine Parteistärke von 14,3 Prozent – und liegt damit nur noch hauchdünn vor der Mitte-Partei (14,1 Prozent). Mit anderen Worten: Weshalb die Freisinnigen zwei Bundesratssitze besetzt und die fast gleich starke Mitte «nur» einen, lässt sich kaum rechtfertigen.
Kleinere Parteien bleiben ausserhalb des Bundesrates. Ein Viertel der Wähler ist nicht in der Regierung vertreten.
Trotzdem verzichtete die MittePartei im Dezember darauf, zulasten der FDP einen zweiten Regierungssitz einzufordern. Begründet wurde dies mit dem «Respekt vor den Institutionen». Man wolle keine amtierenden Bundesräte abwählen, machte Mitte-Präsident Gerhard Pfister schon frühzeitig klar. Denn die bisherigen FDP-Regierungsmitglieder Ignazio Cassis und Karin Keller-Sutter stellten sich für eine neue Amtsperiode zur Wahl. Auch die SVP plädierte angesichts von Krisenzeiten für Stabilität – und wollte naturgemäss ihren Bündnispartner im rechten Lager nicht ohne Not schwächen.
Zum Angriff auf einen der beiden FDP-Sitze bliesen jedoch die Grünen als fünftgrösste Partei. «Eine Regierung ist dann stabil und stark, wenn so viele Wählerinnen und Wähler wie möglich darin vertreten sind», erklärte Fraktionschefin Aline Trede. Die Grünen repräsentieren einen Wähleranteil von knapp 10 Prozent. «Damit sind wir arithmetisch näher an einem Bundesratssitz als die FDP mit ihren 14 Prozent an zwei Bundesratssitzen.» Auch die kleineren Grünliberalen (GLP, Parteistärke 7,6 Prozent) kritisierten, der Wählerwille sei in der aktuellen Zusammensetzung zu wenig berücksichtigt. «Ein Viertel der Wählerschaft ist nicht im Bundesrat vertreten», gab GLP-Fraktionschefin Corina Gredig zu bedenken. Es sei deshalb legitim, den zweiten Sitz der FDP in Frage zu stellen.
Der grüne Kampfkandidat Gerhard Andrey scheiterte aber letztlich klar, und beide FDP-Regierungsmitglieder wurden komfortabel im Amt bestätigt. Das lag auch daran, dass die SP bei diesen Gesamterneuerungswahlen wenig Lust verspürte, die geltende «Zauberformel» aufzubrechen. Denn die linke Partei war am 13. Dezember auf Stimmen aus dem rechten Lager angewiesen, um den Sitz des zurücktretenden SP-Magistraten Alain Berset in den eigenen Reihen zu halten. Dies trug ihr seitens der Grünen den Vorwurf ein, ihre Seele dem «Machtkartell» verkauft zu haben.
Im Dilemma steckten die Sozialdemokraten nicht zuletzt wegen des Wahlprozederes. Der vakante SP-Sitz stand an letzter Stelle auf der Traktandenliste – also nach den Bestätigungswahlen der bisherigen sechs Regierungsmitglieder. Die Partei musste deshalb befürchten, von SVP und FDP abgestraft zu werden, wenn sie zuvor die Kampfkandidatur der Grünen allzu offensiv unterstützt hätte. Dieses Stillhalte-Kalkül ging auf: Das Parlament wählte schliesslich einen der beiden offiziellen SP-Kandidaten zum Nachfolger von Alain Berset.
Das Rennen machte der bald 60-jährige Basler Regierungspräsident und frühere Nationalrat Beat Jans. Der SP-Mann präsentierte sich als Brückenbauer und versprach eine Amtsführung der «offenen Türen». Mit Jans stellt der Stadtkanton erstmals seit über 50 Jahren wieder einen Bundesrat. Überhaupt sind mit ihm die urbanen Zentren wieder besser in der Landesregierung vertreten. Auch endet mit dem Abgang des Freiburgers Alain Berset die vorübergehende Mehrheit von Romands und Tessinern im Bundesrat: Fortan stammen vier der sieben Regierungsmitglieder wieder aus deutschsprachigen Regionen. Dazu gehört auch die Walliserin Viola Amherd (Mitte), die 2024 die Regierung präsidiert.
Das Parlament wählte zudem einen neuen Bundeskanzler, der als Stabschef die Regierungsgeschäfte koordiniert. Auf den abtretenden Walter Thurnherr, welcher der Mitte-Partei angehörte (Porträt siehe «Revue» 6/2023), folgt sein Stellvertreter Viktor Rossi von den Grünliberalen. Damit eroberte erstmals ein Mitglied einer Nichtregierungspartei den Posten im Zentrum der Macht. Als Chef der Bundeskanzlei ist Rossi künftig auch für das Vorantreiben des elektronischen Abstimmens (E-Voting) verantwortlich. In einer Vorwahl-Umfrage der Auslandschweizer-Organisation versicherte Rossi, den eingeschlagenen Weg fortsetzen zu wollen. Es sei offensichtlich, dass «die elektronische Stimmabgabe für viele Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ein wichtiges Instrument für die politische Mitbestimmung darstellt». Richtig sei daher, dass die im Ausland wohnhaften Stimmberechtigten zur priorisierten Zielgruppe gehörten.
Bei den eidgenössischen Wahlen vom Herbst 2023 ging die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) im Nationalrat als klare Siegerin hervor (siehe «Schweizer Revue» 6/2023). Im Ständerat, der zweiten Parlamentskammer, wurde der Siegeszug der grössten Rechtspartei aber gebremst. In mehreren Kantonen scheiterten SVP-Kandidaten trotz aussichtsreicher Position jeweils im zweiten Wahlgang, so insbesondere im Kanton Zürich. Auch die FDP blieb weit hinter ihren eigenen Erwartungen zurück.
Im Gegenzug baute die Mitte ihre führende Rolle im Ständerat aus. Im linken Lager festigte die SP ihre Position, während die Grünen weiter verloren. Zurück im Ständerat sind die Grünliberalen (GLP). Die Verteilung der 46 Ständeratssitze im Detail – im Vergleich zu den Wahlen 2019: Mitte 15 Sitze (+2 Sitze), FDP 11 (–1), SP 9 (–), SVP 6 (–), Grüne 3 (–2), GLP 1 (+1), MCR 1 (+1).
Im Gesamtbild zeigt sich, dass der Ständerat auch künftig von konservativen Kräften dominiert wird. Doch wird die Mitte noch stärker als bisher das Zünglein an der Waage spielen.
Alle Wahlresultate von Nationalrat und Ständerat im Überblick: www.wahlen.admin.ch/de/ch/
Kommentare
Kommentare :
Eine demokratische Mehrheit wiederspiegelt sehr wohl den sog. Volkswillen, ist aber bei weitem kein Garant für das Wohl des Volkes. So gesehen, ist die sog. Zauberformel, meines Erachtens nach, die richtige Bremse um politische Mehrheitsentscheide in oberster Instanz mit bösen Folgen für die gesamte Volkszivilisation, einzudämmen.