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  • Reportage

Das Huhn boomt in Schweizer Gärten als neues Haustier

19.01.2024 – Denise Lachat

Das Huhn wird immer mehr vom Nutztier zum Haustier. Bereits stehen in Zehntausenden privaten Gärten Hühnerställe. Darauf reagiert nun auch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen.

Höher, weiter, schneller, schöner? Auf der Suche nach den etwas anderen Schweizer Rekorden. Heute: Das trendigste Schweizer Haustier der Gegenwart.

Welches ist das beliebteste Haustier in der Schweiz? Genau, es ist – der Fisch. Vielleicht geht es Ihnen wie vielen, und Sie hätten spontan auf die Katze getippt, aber zahlenmässig schwimmt der Fisch obenauf, wie der Schweizer Tierschutz (STS) weiss. Wie viele Exemplare sich in kleineren und grösseren Heimaquarien tummeln, ist nicht exakt bekannt. Es müssen ziemlich viele sein. Denn auf der Rangliste der beliebtesten Haustiere folgt nun also doch die Katze auf Platz zwei; von den Pelznasen gibt es immerhin bald einmal zwei Millionen im Land. Auf Platz drei kommt der Hund mit einer halben Million.

Das Haustier Huhn interessiert selbst den Staat: Private Halter müssen ihre Tiere bei der Veterinärbehörde melden, als Massnahme gegen die Seuchenausbreitung. Foto Keystone

Allerdings rückt derzeit ein Tier in den Fokus, das nicht spontan mit Kuscheln und Streicheln in Verbindung gebracht wird (was allerdings beim Fisch ja auch nicht wirklich der Fall ist): das Huhn. Ja, das Huhn hat bei Schweizerinnen und Schweizern einen Stein im Brett. Schätzungsweise 70 000 pri­vate Haushalte halten Hühner als Haustiere, Tendenz steigend. «Hühner werden immer beliebter. Dazu dürfte auch die Covid-Pandemie beigetragen haben», bestätigt Sarah Camenisch, Sprecherin des Bundesamts für Lebens­mittel­sicherheit und Vete­rinär­wesen (BLV). Die exakten Gründe für diese Beliebtheit sind durch keine fundierte Befragung belegt, Camenisch tippt aber unter anderem auf ein wachsendes Bedürfnis nach Natur. Aus all­ge­mei­nen Covid-Befragungen ist bekannt, dass die Zeit der Pandemie bei Schweizerinnen und Schweizern ein Gefühl der Naturverbundenheit aufflammen liess. Boutiquen, Restaurants, Schulen, Fitnesscenter und Skigebiete: alle zu. So war plötzlich Zeit vorhanden für Spaziergänge in der Natur, fürs Brotbacken und für Einkäufe von frischem Gemüse direkt ab Bauernhof. Während der Pandemie wurden auch viele Hunde und Katzen angeschafft, denn viele Menschen fühlten sich im Homeoffice und beim Fernstudium allein.

Dass mit dem Huhn ein Nutztier zum neuen Heimtier wird, schreibt Samuel Furrer, Zoologe und Geschäftsführer Fachbereich beim STS, auch dem allgemeinen Trend zu, dass immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten wissen wollen, woher ihre Nahrungsmittel stammen und wie sie produziert werden. Wann wüsste man das besser als bei seinem eigenen Tier? «Es gibt private Halter, die ihre Hühner schlachten und essen», sagt Furrer. Die meisten aber begnügten sich mit den Eiern. Das trifft besonders auf jene zu, die ihren Schützlingen einen Namen geben und sie zärtlich in den Arm nehmen, wie man sich das beispielsweise bei den kuschelig aussehenden Zwerg-Cochins gut vorstellen kann.

Das Huhn ist zwar kein Kuscheltier. Aber menschliche Nähe erträgt es durchaus. Foto Keystone

Für Tierwohl, gegen Tierseuchen

Nun ja, eigentlich sollten Hühner weder an die Brust gedrückt noch herum­getra­gen werden. «Das mögen viele nicht», sagt Sarah Camenisch und betont, Hühner seien keine Streichel-, sondern Beobachtungstiere. Weil es auch sonst noch einige Punkte bei der privaten Hühnerhaltung zu beachten gibt, hat das BLV gemeinsam mit dem STS im Frühling 2023 eine schweizweite Kampagne lanciert mit einem doppelten Ziel: das Tierwohl zu schützen und die Verbreitung von Tierseuchen zu vermeiden. Wer privat Hühner halten möchte, sollte zunächst einmal genügend Platz haben. Zum Scharren, Picken und Staubbaden sind 50 Quadratmeter Weide für drei Hühner ideal. Hier muss gleich angefügt werden, dass Hühner Gruppentiere sind und darum nicht allein gehalten werden dürfen. Es braucht also mindestens zwei, ideal wären drei.

«Entscheidend ist, dass die Interessen der Tiere gewahrt werden – ganz egal, ob jemand Blau­wale, Honigbienen oder eben Hühner hält.»

Bernd Schildger

Ehemaliger Zoodirektor in Bern

Der abschliessbare Stall sollte für drei Hühner mindestens zwei Quadratmeter gross sein. Daneben braucht es eine Volière, die für den Schutz vor Fuchs und Marder ebenfalls geschlossen sein muss. Sie ist auch empfehlenswert, damit die Tiere im Fall einer Tierseuche wie der Vogelgrippe nicht im Stall eingeschlossen sein müssen. Diese Infrastruktur geht rasch ins Geld, wie Samuel Furrer vom STS zu bedenken gibt. Für drei Hühner ist – je nach handwerklicher Begabung – mit 1500 bis 4000 Franken zu rechnen, dazu kommen jährliche Futterkosten von rund 400 Franken. Hühner sollten nämlich nicht mit Essensresten aus der Familienküche ernährt werden, sondern mit Pellets oder Futtermehl auf der Basis von Mais.

Das Huhn, respektive das Glück des Huhns, ist in der Schweiz ab und an auch Gegenstand satirischer Betrachtungen. Sie begegnen ihm deshalb in einer Kolumne ganz am Schluss dieses Beitrags.
  

Wie andere Haustiere braucht ein Huhn manchmal auch den Tierarzt. Gemäss der Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte gibt es Praxen, die sich auf die Behandlung von Heimtieren wie Vögeln und Kaninchen spezialisiert haben. Für diese Praxen sei die Behandlung von Hühnern so alltäglich wie für andere Hund und Katze. Behandelt werden Atemwegsinfektionen, Verletzungen oder Krankheiten des Legeapparates, Würmer, Flöhe, Milben und andere Parasiten. Fazit: Die Anschaffung von Hühnern sollte gut überlegt sein. Ein «Must» ist die Anmeldung bei den zuständigen kantonalen Ämtern, damit im Falle von Tierseuchen wie der Vogelgrippe oder der Newcastle-Disease sofort Schutzmassnahmen ergriffen werden können. Um das Ausbreiten einer Seuche zu verhindern, müssen Hühner dann eventuell im Stall bleiben.

Erneuert das Huhn nach einem Jahr sein Gefieder, legt es keine Eier und wird damit «kommerziell uninteressant». Oft «adoptieren» Private ausgestallte Hühner. Foto iStock

Hühner adoptieren

Das Haustier Huhn bleibt zwar eine Marginalie gegenüber dem Nutztier Huhn, von dem im Jahr 2022 in der Schweiz mehr als 13 Millionen gehalten wurden; rund 4 Prozent mehr als im Vorjahr. Gleichzeitig picken und scharren immer mehr «ausrangierte» Legehennen in Hausgärten; sie wurden von Privaten adoptiert. Tatsächlich sind Legehennen für die Intensivmast während der vier bis sechs Wochen dauernden Mauser für die Industrie nicht mehr interessant, weil sie in dieser Zeit keine Eier legen. Für die Hühner bedeutet dies nach rund einem Jahr das frühe Ende ihres Lebens, das gut und gerne vier bis sechs Jahre dauern kann. Nach der Mauser legen Hühner wieder täglich ein Ei, wie Samuel Furrer betont. Ihm gefallen Initiativen wie «Adopte une cocotte» oder «Rettet das Huhn». «Auf diese Weise können die Hühner einen gemütlichen Lebensabend verbringen.» Sie müssten sich aber gut einleben und sozial anpassen können, da sie aus einer Massenhaltung und Intensivmast mit energiereichem Futter kämen.

Welche Motive gibts fürs Haustier Huhn? Ein oftgenanntes: Es sind eher die Eier und nur äusserst selten das Fleisch. Foto iStock

Bewusstsein für Tiere

Ist das Huhn das gegenwärtig trendigste Haustier der Schweiz? «Wir wissen es mangels Vergleichszahlen nicht wirklich», sagt Furrer. Man könne aber schon von einem Boom sprechen. Es wäre übrigens nicht der erste. In den sozialen Medien lassen Stories von süssen Minipigs die Herzen höher schlagen, dabei gehören die Minischweine genauso wenig ins Bett ihrer Halter wie das Huhn. Für den Veterinärmediziner Bernd Schildger, den ehemaligen Direktor des Tierparks Dählhölzli in Bern, zu dem auch der Berner Bärenpark gehört, ist das der springende Punkt. Schildger sagt: «Entscheidend ist, dass die Interessen der Tiere gewahrt und nicht die Bedürfnisse der Menschen befriedigt werden – ganz egal, ob jemand Blauwale, Honigbienen oder eben Hühner hält.» Dass Menschen individuell Tiere halten, befürwortet Schildger grundsätzlich mit einem leidenschaftlichen Ja. Denn der Mensch habe sich von der Natur und den Tieren entfremdet und sie aus seiner Umgebung wie auch aus seinem Bewusstsein verbannt. «Warum wohl werden Schlachthöfe mit Stacheldraht eingezäunt?», fragt er. Mit anderen Worten: Was der Mensch nicht sieht, lässt ihn kalt. Wenn nun das Tier danke der privaten Tierhaltung wieder ins menschliche Bewusstsein rücke, erhalte es Schutz. Für das Huhn, das industriell unter teils schlimmsten Bedingungen lebe, «tun private Halterinnen und Halter also etwas Gutes».

Hühner sind selbstverständlich mehr als Eierproduzentinnen. Sie haben ihren eigenen Charme und eine Persönlichkeit. Die lustigen Tiere, die uns mit schräg gelegtem Kopf aufmerksam anschauen und zum Schmunzeln bringen, sind zudem kommunikativ und daher eher laut. Vor einer Anschaffung lohne sich darum sicher ein Gespräch mit den Nachbarn, meint BLV-Vertreterin Sarah Camenisch. Wenn man bedenkt, dass Schweizer wegen des Geläuts von Kirchturm- oder Kuhglocken schon vor Gericht gezogen sind, hat sie damit wohl Recht. Insgesamt aber scheint das Huhn ein Sympathieträger zu sein, das ein Stück heile ländliche Schweiz auch in urbane Gärten bringt. Es dient kaum als Streitobjekt wie die Katze, die Tausende von Vögeln auf dem Gewissen hat. Tierschutz-Vertreter Samuel Furrer nimmt die Katze indes in Schutz: Neben Raschelhalsbändern für die Katzen könnten mehr Hecken und Sträucher in Privatgärten den Vögeln Rückzugsmöglichkeiten bieten. Mehr Naturnähe wäre somit auch in diesem Fall ein gangbarer Weg.

Vom Glücksklee – und von glücklichen Hühnern

«Worin liegt das Glück des Glücksklees?» Das ist wieder einmal so eine Frage von Leser Res. Leser Res will auch diesmal unbedingt anonym bleiben. Wir nennen ihn deshalb in der Folge erneut Rolf und fügen den Zusatz an: «Richtiger Name der Askforce bekannt.»

«Worin liegt das Glück des Glücksklees?»: Das fragt uns also Rolf* (*richtiger Name der Askforce bekannt). Die Antwort ist recht simpel: Der Glücksklee ist primär sein eigenes Gegenteil, nämlich der unglücklichste Klee aller Klees. Denn: Nehmen wir ihn wahr, ist es um ihn geschehen. Streckt das normalerweise dreifiedrige Pflänzchen – lateinisch Trifolium – am Wegerande seine vier Blättchen Mutter Sonne entgegen, wird der Glücksklee abgerissen, in schlechten Poesiealben flachgepresst und dann – im schlimmsten Fall – dehydriert einem gesülzten Liebesbrief beigelegt. Für die Jüngeren: Der Liebesbrief ist eine Art erotisch gefärbter Chat ohne App. Des Glücksklees Glück ist also ausgesprochen kurz, ausser, er hat das Pech, in der Wiesenmitte zu stehen, wo ihn niemand sieht.

Mehr gibt es, lieber Rolf, dazu eigentlich nicht zu sagen. Höchstens noch dies: Das Glück des Glücksklees liegt ganz einseitig beim Finder, nie aber beim Klee selbst. Und ganz generell: Bei Fragen des Glücks gilt es immer, die Unruhe zu bewahren.

Besonderes Glück gibt es nämlich nicht nur im Kleefeld. Auch die Tierwelt ist beseelt von auffälligen Glückspilzen. Halten wir uns zum Beispiel an die Prämisse «Erfolg = Glück», dann ist das domestizierte Haushuhn das glücklichste aller Lebewesen: Nirgendwo in der Evolutionsgeschichte gibt es ein Tier mit ähnlich überwältigendem Reproduktionserfolg – und mit ähnlich sicherer Kindheit. So erfolgt die geregelte Mastgüggelikindheit mit Zwanzigtausend Gleichaltrigen in sicherer Umfriedung aus Maschendraht, die bestens vor dem bösen Fuchs schützt (der deshalb die Gans stehlen muss). Weltweit erreichen so jedes Jahr 45 Milliarden Nutzhühner bereits mit 35 Tagen ihr Schlachtgewicht; die paar wenigen Unnutzhühner ausserhalb menschlicher Obhut müssen sich dagegen mit einem fünf bis sieben Jahre dauernden Lebenskampf abmühen.

Tag 35 des Glückshuhn ist übrigens echt umwerfend: Es wird kopfüber in einem unter Strom stehenden Wasserbecken betäubt, angestochen, ausgeblutet, gerupft, ausgenommen. Die Begleiterscheinung dieser recht einschneidenden Nutzhuhnerfahrung sind – pro Geburtenjahrgang – mindestens 2,25 Billionen ungelebter Hühnerjahre. Eigentlich faszinierend, dass es trotzdem immer genug Hühner gibt.

Eine Glückssträhne ist übrigens, wenn das jugendliche Glücksgüggeli am 35. Tag seines Daseins in seinem Habitat ein vierblättriges Kleeblatt findet und dieses subito aufpickt. Da werden – ob all der Poesie in diesem Bilde – auch beim abgeklärtesten Kleeriker die Augen ganz tränenfeucht.

© Askforce, 2023; www.askforce.ch

Der Text stammt aus der Kolumnensammlung der «Askforce», der bernischen «Fachinstanz für alles», die seit über 20 Jahren zu fast allem Belehrungen jedwelcher Art absondert.

Kommentare

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Kommentare :

  • user
    Magali Solbach, Österreich 24.01.2024 um 10:40

    Ah, ich hatte vor langer Zeit, als ich im Tessin lebte, auch Hühner, die sehr bald alle der Fuchs geholt hatte.


    Nach unserer Auswanderung vor drei Jahren wollte ich wieder welche - es wurden jedoch Stumm-/Warzen-/Barbarieenten. Ursprünglich waren es drei, die wir gegen die Schnecken geschenkt bekommen haben. Mittlerweile bevölkern 17 unseren Garten, geschlachtet hatten wir auch schon einige, das will ich aber nicht mehr. Also essen wir fleissig die ungemein aromatischen, fantastischen Eier, die sich vorzüglich zum Backen von Kuchen und Zopf eignen, nicht jedoch für den Omelette-Teig.


    Nie würde ich eine der Enten auf den Arm nehmen (ausser zum Flügel stutzen), aber sie sind faszinierend zum Beobachten und im Gegensatz zu Hühnern picken sie den Boden nicht auf und sie sind - Nomen est Omen - sehr ruhig. Ich liebe unsere Enten :)


    Schnecken haben wir übrigens keine mehr.

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  • user
    Danielle Beuchat, France 23.01.2024 um 11:32

    Quand j'étais petite dans les années soixante, nos poules mangeaient les restes du restaurant et je leur donnais du blé. Les omelettes avaient bien plus de goût qu'aujourd'hui où la nourriture industrielle réservée aux animaux n'améliore pas leur santé, au contraire.

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