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Parlamentarische Kräfte wollten der wissenschaftlichen Taskforce, die die Landesregierung in der Corona-Pandemie berät, ein Sprechverbot in der Öffentlichkeit erteilen. Es kam am Ende nicht soweit. Doch der «Maulkorb»-Erlass warf hohe Wellen. Das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik blieb delikat.
«Und sie bewegt sich doch!» Das soll der Wissenschaftler Galileo Galilei im 17. Jahrhundert der vatikanischen Inquisition entgegnet haben, als diese ihn zwang, seinen Erkenntnissen abzuschwören. Der Gelehrte hatte herausgefunden, dass die Erde sich um die Sonne bewegt, was dem päpstlichen Weltbild widersprach. In Anlehnung an Galileos wissenschaftliche Beharrlichkeit könnte man sagen: Und sie reden doch! Sie: Das sind in unserem Fall die Forscherinnen und Forscher der Taskforce, die die Schweizer Landesregierung in der Pandemie beraten. Etwas weit hergeholt, der Vergleich mit Galilei? Wahrscheinlich schon. Doch Kommentatoren hierzulande griffen jüngst dazu und fragten, ob das Parlament eigentlich zurück ins Mittelalter wolle.
Grund dafür waren Bestrebungen im Nationalrat, der Taskforce ein Sprechverbot zu erteilen. Sie solle sich nicht mehr öffentlich zu den Corona-Massnahmen des Bundesrates äussern dürfen und stattdessen nur noch im stillen Kämmerlein ihre Beraterarbeit erledigen: Das forderte die einflussreiche Wirtschaftskommission des Nationalrats vor der Beratung des Covid-19-Gesetzes im Frühling. Die Kommission schwächte ihren Antrag zwar später nach heftiger Kritik ab, und der Nationalrat verwarf schliesslich auch eine mildere Version mit 116 zu 78 Stimmen. Dennoch geht der Vorgang als «Maulkorb»-Erlass in die Geschichte ein.
Der Pandemie-Taskforce gehören rund 70 Expertinnen und Experten aus vielen der renommierten Schweizer Hochschulen und Forschungsinstitutionen an. Mehrere Fachrichtungen sind vertreten, von der Epidemiologie über die Ökonomie bis zur Ethik. Das ehrenamtlich tätige Gremium veröffentlicht regelmässig «Policy Briefs», in denen es die Situation aufgrund von Daten und Modellrechnungen einschätzt. Die Publikationen geben die konsolidierte Beurteilung der Wissenschaft wieder. Taskforce-Mitglieder sprachen an den Medienkonferenzen des Bundesamts für Gesundheit, äusserten sich daneben aber auch in Interviews und den sozialen Medien. Gemäss Mandat mit dem Bund ist ihnen das als Forschende erlaubt – eine Gratwanderung, die nicht allen gleich gut gelang.
Plötzlich im Rampenlicht, traten manche dezidiert auf und liessen ihrer Frustration freien Lauf, wenn die Politik sich nicht an die Empfehlungen hielt. Das sorgte schon vor der «Maulkorb»-Forderung für Kritik. Die Taskforce verbreite Alarmismus, übe Druck auf die Behörden aus und die Forschenden seien sich nicht einig, so die Vorwürfe. Der Argwohn in Teilen von Bundesbern entlud sich, als die Taskforce vor der dritten Welle warnte – während bürgerliche Parteien den Bundesrat dazu bringen wollten, die Pandemiemassnahmen zu lockern. Vor allem der Vorwurf der Vielstimmigkeit wurde dann in der Covid-Debatte von SVP, FDP und Die Mitte vorgebracht. «Die einander widersprechenden Äusserungen dieser Taskforce verunsicherten die Bevölkerung mehr, als sie geholfen haben», sagte der Luzerner Mitte-Nationalrat Leo Müller. In der Krise brauche es klare Kommunikation und Regeln dafür.
«Die einander widersprechenden Äusserungen dieser Taskforce verunsicherten die Bevölkerung mehr, als sie ihr geholfen haben.»
Nationalrat
SP, Grüne, Grünliberale und ein Teil der Bürgerlichen verteidigten hingegen die Meinungsäusserungsfreiheit der Forschenden. Die Berner Grüne Regula Rytz sprach vom «Versuch, die Wissenschaft als Überbringerin von schlechten Nachrichten zum Schweigen zu bringen». Eine aufgeklärte, liberale Demokratie verliere jede Glaubwürdigkeit, wenn sie die Forschung ans Gängelband nehme. Auch die Medien sahen eine Grenze überschritten, das Wort «Skandal» fiel. Die Redefreiheit der Wissenschaft einzuschränken schade der Gesellschaft, schrieb die «Neue Zürcher Zeitung». Nur wenn die Forschenden ihre Empfehlungen zur Pandemie öffentlich machten, könnten sich Bürgerinnen und Bürger eine eigene Meinung bilden und die Entscheidungen der Politik beurteilen.
Die Taskforce selber hielt den Ball während der Kontroverse flach. Ihr Leiter Martin Ackermann, Professor für Mikrobiologie an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich, war auch schon vorher mit ruhiger Sachlichkeit aufgefallen. Die Taskforce sage der Politik nicht, was sie machen solle, betonte er. Sie präsentiere Handlungsoptionen, «von denen wir wissen, dass sie wirksam sind, um Infektionen zu verhindern». Die Informationen und Aussagen der Taskforce seien auch für Kantone, Vereine, Unternehmen und die Bevölkerung eine Orientierungshilfe. Zum Alarmismusvorwurf sagte Ackermann, es sei Sinn und Zweck der aufgezeigten Szenarien, diese gerade nicht eintreffen zu lassen.
«Ein Versuch, die Wissenschaft als Überbringerin von schlechten Nachrichten zum Schweigen zu bringen.»
Nationalrätin
Auch wenn der «Maulkorb» am Ende ausblieb: Gross Gehör fanden die Berater danach nicht. Trotz ihrer zur Vorsicht mahnenden Analysen gab der Bundesrat im April weitreichende Öffnungsschritte bekannt. Und die Diskussion, inwieweit sich Wissenschaft in die Politik einbringen soll, geht weiter. Nicht nur in der Pandemie wird darum gerungen, sondern auch beim Klimawandel und in Umweltfragen. So gab es im Vorfeld der aktuellen Abstimmung über die Trinkwasser-Initiativen Unstimmigkeiten zwischen dem Bundesrat und Wasserforschern der ETH, die auf die Pestizid-Problematik hinwiesen. «Lösungsorientierte Politik muss wissenschaftliche Fakten berücksichtigen», ist Servan Grüninger überzeugt. Der Biostatistiker an der Universität Zürich ist Präsident von «Reatch», einer Organisation, die Wissenschaft, Politik und Gesellschaft näher zusammenbringen will. Damit das Zusammenspiel klappe, müssten allerdings Forschung wie Politik dazulernen.
Viele Forschende hätten blauäugige Vorstellungen von Politik, stellt CVP-Mitglied Grüninger fest: «Sie denken, aus ihren Befunden ergebe sich automatisch die richtige Politik.» Manchen sei zu wenig bewusst, dass politische Entscheidungsträger neben wissenschaftlicher Evidenz auch wirtschaftliche oder soziale Aspekte beachten müssten. Auch wüssten sie oft nicht, wie sie sich in der Politik wirkungsvoll Gehör verschaffen könnten. Politikerinnen und Politiker wiederum empfänden Aussagen von Forschenden zu politischen Themen schnell als Anmassung oder Einmischung. Der Wissenschaft werde nur so lange zugehört, wie sie den eigenen Standpunkt stütze.
«Viele Forschende denken, aus ihren Befunden ergebe sich automatisch die richtige Politik.»
Biostatistiker
Jetzt soll ein Projekt namens Franxini das gegenseitige Verständnis fördern. Forschende und Politikerinnen und Politiker von links bis rechts starteten es gemeinsam als Reaktion auf die «Maulkorb»-Kontroverse beim CovidGesetz. Das Projekt ist nach Stefano Franscini benannt. Der Sohn armer Tessiner Bauern erkannte früh die zentrale Bedeutung der Bildung. 1848 in den Bundesrat gewählt, gründete der Liberale die heutige ETH. Es gehe darum, Forschende für die Politik fit zu machen, sagt Servan Grüninger, dessen «Reatch»-Organisation hinter der Initiative steht. So sollen etwa Wissenschaftler in Intensivkursen das Schweizer Politiksystem kennenlernen. Wirds fruchten? Beim Genfer Epidemiologen Marcel Salathé offenbar schon. Er war der Politik letztes Jahr hart an den Karren gefahren und schliesslich aus der Taskforce ausgetreten. Jetzt unterstützt er das Franxini-Projekt und liest das dicke Handbuch der Schweizer Politik. «Lies die verdammte Gebrauchsanweisung», schrieb er augenzwinkernd auf Twitter.
Der Artikel gibt den Stand vom 1. Mai 2021 wieder.
Website der Schweizer Covid-19-Taskforce:
www.sciencetaskforce.ch
Kommentare
Kommentare :
Il me semble fondamental de prendre en compte les voix des scientifiques, surtout quand il s'agit d'une problématique de l'ampleur que nous avons connue.
La politique, par définition, est au service du peuple et devrait le rester. De ce fait elle devrait toujours prendre en compte l'avis des scientifiques concernant un domaine que nos élus ne dominent pas.
Il va de soi que tout conflit d'intérêt devrait être écarté là même où, de la part des politiques a surgit ce projet "muselière" totalement absurde...
Vive la démocratie et la liberté d'expression !
Une problématique et débat légitime qui s'applique tant aux pays où la liberté d'expression est, d'une manière générale, bien acquise qu'aux autres pays où celle-ci ne l'est généralement pas.
Cependant, deux aspects non abordés dans cet article me semblent pourtant importants et à prendre en considération dans ce genre de débats.
La neutralité politique des scientifiques. En tant qu'êtres humains et citoyens Suisses ou citoyens du monde, ils peuvent avoir des raisons et des analyses qui ne sont pas toujours scientifiquement aussi neutres. Leur aura contribue, positivement ou négativement, à l'acceptabilité de leurs jugements, analyses et recommandations.
La maturité de discernement des autres citoyens. Plus celle-ci est bonne plus la capacité de discernement est meilleure et plus les jugements sont pris à leur juste valeur.
Ces deux aspects peuvent être mitigés si les scientifiques voudraient bien avoir l'honnêteté morale et intellectuelle, de précéder chacune de leurs déclarations, écrites ou orales, par une mention se referrant à leurs orientations politiques, sociales et même religieuses (J'avais omis de mentionner ci-dessus que certains avis et jugements peuvent être influencés par les orientations religieuses de chacun).
Leider sind die wissenschaftlichen Studienergebnisse heutzutage abhängig davon, wer bezahlt. Sehr oft werden alternative Studien, welche valid sind, unterdrückt, damit das politische Narrativ erhalten bleiben kann. Redefreiheit zu unterdrücken ist nie der rechte Weg und jederman soll seine eigene Meinung haben dürfen.
In the current climate the world is facing : people being victimized i.e. losing their jobs ,being deplatformed and so forth for voicing opinions that conflict with those of the extreme Left it is important more than ever that Switzerland allows freedom of speech the hallmark of a free democracy.
Rassurez-vous, la science et la politique font bon menage pour plein de raisons notamment son financement. Avec le Covid-19 l' urgence entre sauver des vies et le maintien de l' economie a provoquer d' intenses batailles partout en Europe. Ces debats de sourds ou il n' y a pas de vainqueur. Trop de morts et une economie durement touchee.
Jede Art von Politischer Entscheidung muss in einem demokratischen System transparent bleiben. Schon die Unsitte, Themen unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu beraten, passt schlecht in mein Demokratieverständnis.
Wer kann zu seiner Ansicht nicht stehen, wer traut sich nicht, zu sagen, was er denkt und wie er entscheidet? Das allein stinkt nach unredlichen Absichten. Von solchen Politikern
mag ich meine Welt nicht bestimmen lassen.
In der Forderung, einem Beratergremium das Reden zu verbieten, sehe ich meine Bedenken bestätigt.
Ich finde es sehr traurig, dass sich in den Länder die Politiker so stark einmischen und somit viele Leben kosten. Auch bin ich erstaunt, dass die Schweiz bis heute nicht alle Leute geimpft hat. Acht Millionen Menschen? Brasilien hat bereits 40 Millionen geimpft. Was steckt hinter dieser Pandemie?