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Nicht nur die Schweizerische Nationalbank gibt Geld heraus. Auch die Geschäftsbanken sind an der Geldschöpfung beteiligt. Eine Volksinitiative, über die am 10. Juni abgestimmt wird, will das verbieten.
Was ist Geld? Natürlich Münzen und Banknoten. Aber es gibt noch andere Formen, etwa Buchgeld, das hauptsächlich durch Kreditgewährung der Banken entsteht. Oder ein Bankkonto. Aber das Guthaben auf dem Konto ist kein echtes Geld, es ist bloss eine Forderung des Kunden an die Bank, ihm bei Bedarf Bargeld auszuzahlen. Auch Zeit ist Geld, wie wir seit Benjamin Franklins Buch «Ratschläge für junge Kaufleute» von 1748 wissen. Geld ist also fast so schwierig zu definieren wie die Zeit. Und im Moment gibt es aktuelle Gründe, sich mit dem Wesen des Geldes zu befassen. Am 10. Juni müssen die Schweizer Stimmberechtigten über die Vollgeld-Initiative befinden, die mit offiziellem Titel lautet: «Für krisensicheres Geld: Geldschöpfung allein durch die Nationalbank!» Damit ist schon einiges gesagt. Aber was genau ist Vollgeld?
Beispiel: Eine Geschäftsbank gewährt jemandem einen Kredit von 10 000 Franken und schreibt den Betrag auf dem Kontokorrent des Kunden gut. Damit hat die Bank sozusagen «aus dem Nichts» Geld geschaffen, Buchgeld allerdings. Dieses Buchgeld besteht heute vor allem digital und hat einen viel grösseren Umfang als das Bargeld. Münzen und Banknoten als gesetzliche Zahlungsmittel machen nur rund zehn Prozent der umlaufenden Geldmenge aus, 90 Prozent ist elektronisches Geld, «das die Banken per Knopfdruck selber schaffen», wie die Initianten auf ihrer Homepage schreiben. Die Initiative verlangt nun, dass künftig nur noch die Nationalbank digitales Geld schaffen kann, dass sie also das Monopol auch auf Buchgeld hat.
Auf Bargeld hat sie es schon. Geschäftsbanken dürfen bekanntlich keine Münzen prägen oder Noten drucken. Sie dürften zwar nach Annahme der Initiative weiterhin ihren Geschäften nachgehen und Kredite vergeben, doch müsste das alles voll durch Eigenkapital und Spareinlagen oder aber durch Darlehen der Nationalbank gedeckt sein.
Nach Auffassung der Initianten würde die Einführung des Vollgeldes das gesamte Finanzsystem krisenresistenter und fairer machen: «Das Vollgeld auf Zahlungskonten ist so sicher wie Bargeld, denn es ist echtes Geld der Nationalbank. Bankenpleiten können ihm nichts anhaben. Die Spielregeln für Banken und Unternehmen sowie Gross- und Kleinbanken werden für alle wieder dieselben», wie es auf der Homepage der Initianten heisst. Und vor allem gehört das Geld «dann den Kontobesitzern und geht nicht verloren, falls eine Bank in Schieflage gerät».
Die Initianten versprechen noch mehr, nämlich einen Geldsegen: Eine erfreuliche Folge der Vollgeld-Initiative sei, dass die Nationalbank pro Jahr zusätzlich fünf bis zehn Milliarden Schweizer Franken an Bund und Kantone auszahlen könne. Und zwar aus dem Erlös der Geldschöpfung. Ausser bei der Münzherstellung wurden diese Erlösmöglichkeiten bisher nicht genutzt, aus systemischen Gründen auch nicht von den Geschäftsbanken. Mit der Vollgeldreform wird dieses bisher nicht genutzte Potenzial realisierbar, finden die Initianten. Und das Risiko von Finanzkrisen schwindet, denn die heutige Geldherstellung durch Kreditvergabe zwingt zum Schuldenmachen: Ohne neue Schulden entsteht heute kein neues Geld. Eine hoch verschuldete Gesellschaft ist anfällig für Finanzkrisen.
Hinter der Initiative steht keine Partei und keine bekannte Organisation, sondern der Verein «Monetäre Modernisierung» mit einem Vorstand aus weitgehend unbekannten Persönlichkeiten. Bemerkenswert ist, dass das Volksbegehren von zahlreichen, teils bekannten Ökonomen verschiedener Hochschulen, auch von der als Wirtschafskaderschmiede bekannten Universität St. Gallen, unterstützt wird.
Auf schroffe Ablehnung stösst die Initiative dagegen in der Politik: Im Parlament lehnen ausnahmslos alle Fraktionen das Volksbegehren ab, auch wenn das Grundanliegen bei der SP und den Grünen gewisse Sympathien geniesst. Eine links-grüne Minderheit präsentierte denn auch einen Gegenvorschlag, allerdings erfolglos. Dieser nahm das Motiv der Finanzstabilität auf und wollte in der Bundesverfassung festschreiben, «dass unsere grossen Banken künftig genügend Eigenmittel haben, um sich selber aus dem Schlamassel zu ziehen, wenn sie sich verspekuliert haben», wie SP-Nationalrat Beat Jans sagte. Doch auch die SP lehnte die Initiative mit dem von fast allen Rednerinnen und Rednern vorgebrachten Argument ab: Die Sache ist zu risikoreich, weil nirgends erprobt. SP-Nationalrätin und Wirtschaftsexpertin Susanne Leutenegger Oberholzer sagte: «Es gab noch nie eine Volkswirtschaft auf der Welt, die ein Vollgeldsystem nach den Vorstellungen dieser Initiative realisiert hat. Wir haben also keinerlei konkrete Erfahrungen.»
Die grün-liberale Nationalrätin Kathrin Bertschy griff in der Debatte ein zentrales Argument der Initianten frontal an: Eine einzelne Bank könne nicht einfach «Geld aus dem Nichts schöpfen». Die Kreditschöpfung «unterliegt Restriktionen, regulatorischen Vorschriften, Liquiditätsanforderungen und Mindestreservevorschriften. Es gibt Grenzen. Die Nationalbank kann Einfluss nehmen.» Nach Auffassung des SVP-Nationalrats und Bankiers Thomas Matter will die VollgeldInitiative «ein Problem lösen, das gar keines ist». Man könne «ebenso gut einen Hauskeller unter Wasser setzen, um zu prüfen, ob die neu erstandene Wasserpumpe so gut funktioniert wie die bisherige». Die Initianten wollen laut Matter «das völlig intakte, weltweit anerkannte schweizerische Finanzgebäude einreissen, um nach ihren Rezepten auf den Ruinen etwas radikal Neues zu konstruieren». Das schaffe Unsicherheit und sei Gift für die Volkswirtschaft.
FDP-Nationalrätin Daniela Schneeberger betont, dass die Stabilität des Bankensystems, welche die Initiative erhöhen will, bereits mit den Too-bigto-fail-Regulierungen von 2011 verstärkt worden sei. Und ihr Parteikollege Beat Walti warnt vor der Initiative, weil mit ihr «faktisch die Geldschöpfung verstaatlicht würde». Dieses vermeintlich schlagende Argument leuchtet Peter Ulrich ganz und gar nicht ein. Ulrich ist früherer Professor für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen und wissenschaftlicher Beirat der Vollgeld-Initiative. Er schreibt in der NZZ, die Initiative schliesse «im Kern genau den Graben zwischen der verfassungsmässig intendierten Geldhoheit des Bundes und der heute völlig anderen, deutlich riskanteren Realität des Geldsystems». Denn 1891 wurde in einer Volksabstimmung das Geldschöpfungsmonopol des Bundes «mit Bezug auf die damals den Zahlungsverkehr dominierenden Münzen und Banknoten angenommen und 1951 wiederum per Volksabstimmung bestätigt». Dem heute dominierenden Bankengiralgeld wie auch dem virtuellen Geld auf Debit- und Kreditkarten fehle dagegen der Status des gesetzlichen Zahlungsmittels. Nationalrätin Kathrin Bertschy schlägt vor, «mit einer gewissen Demut an diese Fragen heranzugehen», denn es gehe um grundlegende Fragen zur Geldordnung, verbunden mit viel Unsicherheiten und Hypothesen, und es sei keine exakte Wissenschaft.
Und – so könnte man hinzufügen – es ist eine intellektuell anspruchsvolle Vorlage, die für einmal nicht an Vorurteile und Ressentiments appelliert, sondern ans Denkvermögen.
Am 10. Juni 2018 wird auch über das neue Geldspielgesetz abgestimmt. Bundesrat und Parlament wollen das bisherige Spielbankengesetz und das Lotteriegesetz in diesem neuen Gesetz zusammenfassen. Zu grossen Teilen werden geltende Regelungen übernommen, gleichzeitig aber auch Neuerungen eingeführt. So dürfen neu Spielbankenspiele auch online angeboten werden; doch der Zugang zu ausländischen Online-Geldspielangeboten soll von der Schweiz aus gesperrt werden. Gerechtfertigt wird die Sperre damit, dass Schweizer Anbieter sich an Auflagen halten müssen, etwa zur Bekämpfung der Spielsucht. Die Jungparteien von FDP, SVP und Grünliberalen haben wegen dieser Sperre das Referendum gegen das Gesetz beschlossen, die Jungen Grünen mit einem eigenen Komitee ebenfalls. Es geht ihnen um Grundsätzliches, nämlich darum, «ob wir den freien Zugang zum Internet zum Schutze einheimischer Anbieter aufs Spiel setzen wollen», wie es auf der Homepage der Jungfreisinnigen heisst. Das Gesetz erinnere an «Zustände in Nordkorea oder China».
Bild Aktivisten des Komitees «Vollgeld-Initiative» demonstrieren mit einer Marionetten-Helvetia und einer Maske von SNB Praesident Thomas Jordan vor der 109. SNB Generalversammlung am 27. April 2017 in Bern Foto Keystone
Kommentare
Kommentare :
Die Angsmacherei der Gegner soll bloss vertuschen, dass da jemand heute sehr gut mit “privatisierten Franken“ absahnt.
Meine JA-Stimme ist sicher. So sicher wie Vollgeld selber;-)
Bedenkt einer die Realsituation auf dem Markt, sei es der Geldmarkt, Realmarkt oder Ressourcen, macht es Sinn. Diese Option einer Vollinitiative spielt der Gesamtgesellschaft Möglichkeiten in die Hände sich besser zu bewirtschaften. Was also spricht dagegen, dass anstelle von laufend neuer Kreditaufnahme plus möglicher späteren Nichtrückzahlung bereits schon im Hier und Jetzt Bewegung geschaffen wird?
Auf jeden Fall stehen so intelligent angelegt bessere Möglichkeiten als einen Geldmarkt aufrecht zu erhalten, der aus lediglich 10% Ausgabe von Seiten der gedeckten SNB kommt und erfundenen 90% der Geschäfts-/Privatbanken stammt. Diese jedoch rein auf Kreditbasis. Mit 10 Franken dürfen 10'000 Franken entliehen werden.
Man sollte den Weg zurück zur Realität suchen und finden, bzw. gehen.
Vollgeld ist real, fiktiver Zins eines noch fiktiveren Kredites ist lediglich eine Blase/Idee.