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La Brévine, das Dorf im Neuenburger Jura, hält den Rekord als kältester bewohnter Ort der Schweiz. Der Klimawandel bringt allerdings die Schneeverhältnisse und die Kälterekorde durcheinander. Doch La Brévine bleibt ein Besuchermagnet.
Ich komme an einem windigen Sommertag im Juli in La Brévine an. Das Tal ist in Nebel gehüllt. Als ich auf dem Dorfplatz aus dem Bus steige, fröstelt es mich. Wird meine sommerliche Kleidung – ein T-Shirt und eine Regenjacke – angesichts des hiesigen Klimas genügen? Ein Blick auf das digitale Thermometer am Dorfplatz zeigt: Es ist gerade einmal 18 °C. Ich spüre den Effekt von La Brévine! Die Neuenburger Gemeinde im Juramassiv liegt auf etwas mehr als 1000 Meter über Meer in einer Talsenke und hält mehrere Kälterekorde, darunter die tiefste je an einer lokalen Station von MeteoSchweiz gemessene Temperatur der Schweiz: Am 12. Januar 1987 fiel das Thermometer auf klirrende -41,8 °C. Damit hält La Brévine den Rekord als kältester bewohnter Ort der Schweiz. «Am kältesten ist es frühmorgens, wenn die Sonne aufgeht. Eigentlich erwartet man, dass es dann wärmer wird, doch die Sonnenstrahlen halten die Kälte am Boden», erklärt Gemeindepräsident Jean-Maurice Gasser.
Wer durch die Strassen des kleinen Dorfes schlendert, das von vier Verkehrsachsen durchquert wird, wird auch im Sommer ins Reich der Kälte entführt. Das Geschäft, in dem Besucher im Sommer Langlaufski auf Rollen leihen können, heisst Siberia Sports. Ein zurzeit geschlossenes Gasthaus trägt den Namen «Au Loup Blanc» – Zum Weissen Wolf. Dahinter liegt das Möbelhaus Alaska. Und dann ist da L’Isba, ein altes Café-Restaurant. Nicht alle macht die eisige Reputation des Dorfes glücklich: «Viele glauben, dass wegen der Temperaturen auch die Menschen von kaltem Gemüt sind, obwohl die Kälte in Wirklichkeit ja nichts ändert und wir alle unseren Geschäften nachgehen», sagt Jean-Daniel Oppliger, Inhaber des Hotels und Restaurants Hôtel-de-Ville. Er ist Mitinitiator der «Fête du Froid», die erstmals 2012 stattfand, als eine eisige Bise durchs Tal fegte.
Die Kälte, die den Atem in der Nase gefrieren lässt, ist in La Brévine zu einem Marketingfaktor geworden. «Bis zu 5000 Besucher aus der Schweiz und aus Frankreich kamen nach La Brévine, um die Kälte zu feiern», freut sich der Präsident, der für die Renovierung und Umgestaltung des Hotel-Restaurants Hôtel-de-Ville verantwortlich zeichnete. Es ist Eigentum der Gemeinde und lädt mit 27 Betten Touristen zur Übernachtung ein. Im grossen Saal auf der Rückseite finden Gemeindeveranstaltungen statt. La Brévine und seine 630 Einwohnerinnen und Einwohner sind wirtschaftlich recht gut gestellt. «Die Finanzen sind ausgeglichen», sagt Jean-Maurice Gasser. Dennoch würde er sich freuen, wenn mehr Menschen in die Gemeinde zögen, denn die Einwohnerzahl sinke.
Pascal Schneider, Inhaber von Siberia Sports, bessert sein Einkommen im Sommer als Schreiner auf. Er ist auf Schnee angewiesen, um sein Sportgeschäft am Laufen zu halten. Ihm ist bewusst, dass die Jahre mit idealen Schneebedingungen für Langlauf und Schneeschuhwandern der Vergangenheit angehören: «Im letzten Winter hat es so gut wie gar nicht geschneit. Die Leute konnten nur drei- oder viermal langlaufen. Von den 163 km Loipen, die wir hier im Tal normalerweise anbieten, konnten nur 30 km gespurt werden.» Während seines bisherigen Lebens haben sich die Temperaturen im schweizerischen Klein-Sibirien vollkommen verändert: «Als ich ein Kind war, schwankten die Temperaturen häufig drei Wochen lang zwischen -15 und -30 °C. Heute haben wir manchmal an einem Morgen -25 °C und zwei Tage später Regen. Im Sommer 2019 lag die Temperatur 14 Tage lang bei 30 °C.» 2006 erzielte La Brévine einen neuen Temperaturrekord: plus 36 °C.
Im Sommer sind die Nächte kühl und bereits ab Mitte August kann der erste Frost auftreten. Die Touristen, die La Brévine besuchen, haben jedenfalls stets das Thermometer im Kopf. «Meine Kunden sagen mir, es sei hier gar nicht so kalt», berichtet der Inhaber des Sportgeschäfts. Wenngleich die Kälte im Winter um einige Grad abgenommen hat, müssen die Bauern auf den Hochlagen des rund 20 km langen Tals dennoch deutlich härter arbeiten als anderswo in der Schweiz. In Le Cernil, auf 1200 Meter über Meer, halten Kevin und Grégory Huguenin 100 Kühe. Sie erzählen, wie ihre Tage in der bitteren Kälte verlaufen. Ihre Arbeit beginnt um 5 Uhr morgens.
Manchmal müssen sie die zugefrorenen Türen mit Pickeln öffnen und die Rohre ihrer Viehtränken mit einem Brenner erwärmen. «Es ist ein ständiger Kampf gegen die Kälte», fasst Grégory Huguenin zusammen, der sich an seinen ersten Arbeitswinter in Le Cernil mit Temperaturen von -15 °C und fast -30 °C auf ihrem Hof in Le Brouillet erinnert. Trotzdem oder vielleicht genau deswegen lieben die beiden Brüder, die bereits der siebten Generation von Huguenins im Tal angehören, ihre Heimat. Den harten Witterungsbedingungen begegnet man hier mit Herzenswärme. «Hier kannst du bei jedem Nachbarn klingeln und wirst zum Essen eingeladen», sagt Kevin. «Das Tal hat zwar nicht viele Einwohner, nur rund 1500, aber die Menschen teilen, was sie haben», ergänzt sein Bruder.
Der Sommer beschert dem Tal und seinen drei Dörfern, von denen nur La Brévine Kälterekorde erreicht, sonnige Tage und kühle Nächte. Der Lac des Taillières, der zwei Kilometer entfernt liegt und im Winter gefriert, zieht Wind- und Kite-Surfer an. Das Hochplateau ähnelt einer Steppe. Es gibt zahlreiche wunderschöne Wanderwege, insbesondere einen Pfad mit Grenzmarkierungen zum benachbarten Frankreich, die 1819 gesetzt wurden. Ein Rundgang mit 18 Informationstafeln vermittelt eine Vorstellung vom Leben in diesem Land des Schnees und der Kälte. Geneviève Kohler, die Präsidentin des Verschönerungsvereins, nimmt mich zu Station 13 mit: In dem schön gemauerten Gebäude, in dem die Eltern von Kevin und Grégory Huguenin leben, verbirgt sich eine alte eisenhaltige Heilquelle.
Auch der Dorfbach, Le Bied, erzählt eine Geschichte. Er verschwindet in einem Versickerungstrichter, einem natürlichen Brunnen, und kommt erst im Val-de-Travers wieder an die Oberfläche. Dieser Trichter befindet sich in der Dorfmitte von La Brévine und ähnelt einer Schlucht. 2018 kam es durch eine Verstopfung zu einer Überschwemmung im Dorf. «In den Häusern stand das Wasser 30 cm hoch», erinnert sich Gemeindepräsident Gasser. Der Inhaber des Hôtel-de-Ville sieht in dem Versickerungstrichter einen der Faktoren, die das sibirische Klima von La Brévine erklären. «In den anderen Bergtälern des Neuenburger Juras bleiben die Wasserläufe an der Oberfläche und nehmen die Kälte mit», meint Jean-Daniel Oppliger. «Aber hier verschwindet der Bied und die Kälte bleibt.» Kann das wirklich die Erklärung sein? Das wird wohl ein Geheimnis bleiben, doch in La Brévine erfordert das eisige Klima zwangsläufig eine Vielzahl von Erklärungen.
Für das eisige Klima von La Brévine gibt es mehrere Ursachen. Eine davon ist, dass das Dorf in einer geschlossenen Talsenke liegt, in der die Kälte stagniert. Dieses meteorologische Phänomen wird als «Kaltluftsee» bezeichnet. Es erfordert einen hohen Luftdruck, einen wolkenlosen Himmel, Windstille und Schnee. Bei einem Kaltluftsee kann auf den Pässen und Gipfeln ein Temperaturunterschied von fast 30 °C zum Talboden herrschen. Dies zeigte eine Ende 2014 durchgeführte Studie des Instituts für Geografie der Universität Neuenburg.
Kommentare
Kommentare :
Continuez à nous faire visiter le pays, c'est très instructif
François Hainard « Le vent et le silence »:
Cette histoire est vraie et se passe a? la fin de la deuxie?me guerre mondiale à La Bre?vine, communauté protestante austère du Haut Jura neuchâtelois. Elle raconte l’amour impossible d’une fille de quinze ans avec un boulanger tessinois catholique de vingt-deux ans. Comment pourront-ils s’aimer dans des communautés rurales aux identités religieuses antagonistes, strictes et closes ? Ou? peuvent-ils aller quand la guerre se déroule a? deux kilomètres et que l’enfermement est complet ? Comment s’échapper?
Ein sehr interessanter Artikel ! Wenn Sie etwas in die Region eintauchen möchten : hier wäre eine Empfehlung eines Romans, der vor ein paar Tagen in der deutschen Übersetzung erschienen ist:
François Hainard, «Wind und Schweigen»
Dieser Roman erzählt eine wahre Begebenheit vom Ende des Zweiten Weltkrieges. Im kleinen Dorf La Bre?vine im rauen und sittenstrengen Neuenburger Jura verlieben sich die 15-jährige, einheimische Jeannette und der 22-jährige, zugezogene Tessiner Bäckergeselle Antonio. Doch ihre Liebe über die religiösen, kulturellen und sprachlichen Grenzen hinweg ist für seine katholischen Eltern ebenso undenkbar wie für ihre protestantische Familie. Als Jeannette schwanger wird, gerät das Paar in eine ausweglose Lage.
https://www.pearlbooksedition.ch/?page_id=2660
ne a lausanne en 1950, maintenant depuis 40 ans a miami.
mon coeur est toujours dans la foret et nos montagnes
chaque annee je rentre a pully.
enfants, nous parlions de la brevine...... t'as froid? encore heureux que tu n'habites pas la brevine... ahah!
encore un coin a visiter lors de mon prochain sejour
merci !
We John and Valerie Piguet always enjoy reading your Magazine! Thank you. Special me who came from BASEL near the FRENCH Boarder.
John born in RSA, JHB. Went to Uni in Le Brassue , Le Chenit VD for over 9 years. Long long ago. Proud to be Suisse. With best regards, Valerie Piguet
Bel article! Merci ! De m’avoir donner un moment de nostalgie !