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Die von der Fondation Franz Weber und Greenpeace unterstützte Initiative gegen die Massentierhaltung will die Bio-Suisse-Kriterien zur Norm erklären. Die Idee spaltet die bäuerliche Welt; selbst einige Biobetriebe gehen auf Distanz. Ein Augenschein.
Die Wolken hängen tief über Develier, einer Ortschaft fünf Kilometer von Delémont (JU) entfernt. Noël Saucy steht in der Eingangstür. Erst ein Händedruck und ein Lächeln. Dann lädt er in sein Haus ein. Die Saucys arbeiten hier seit fünf Generationen. 2002 investierten sie in ein neues Gehöft, das 200 Meter entfernt etwas höher liegt. Wir erblicken eine 30 Meter lange und 6 Meter breite Halle von vier Metern Höhe. 2000 Hühner leben und legen hier. Nebenan prüft und reinigt Agnès Saucy, Noëls Frau, Eier, die per Förderband eintreffen. Jedes Ei wird mit Datum und einer Null versehen, dem Zeichen, dass es aus einer Produktion nach Bio-Suisse-Norm stammt. Zwischen 1600 und 1900 Stück kommen hier jeden Tag an. Verkauft werden die für 47 Rappen pro Ei an einen Grosshändler.
Die Saucys gaben die konventionelle Landwirtschaft 2002 auf. Die örtliche Käserei war dabei, auf Bio umzustellen. Zwei Jahre dauerte der Übergang. Saucys hielten damals bereits 1000 Legehennen auf dem Hof und vergrösserten 2007 auf 3000, verteilt auf zwei Ställe. Ein Biohof darf höchstens 4000 Hühner halten, maximal 2000 pro Stall. In der konventionellen Haltung hingegen dürfen in einem Hühnerstall 18 000 Legehennen gehalten werden – oder gar 27 000 Masthühner bis zu ihrem 28. Lebenstag. «Die Biolandwirtschaft ist anspruchsvoller. Wir sind stolz darauf, den Wechsel geschafft zu haben. Einige Dinge in Bezug auf die Natur sind uns wieder bewusst geworden», sagt Noël Saucy. Seine Erkenntnisse hindern den 57-jährigen Bauern jedoch nicht daran, sich gegen die Massentierhaltungsinitiative auszusprechen, über welche das Schweizer Stimmvolk am 25. September abstimmen werden. «Wenn alle Welt auf Bio umstellt, stechen unsere Produkte nicht mehr aus der Masse hervor», sagt er und widerspricht damit Bio Suisse.
In Develier leben die Hühner der Familie Saucy ihr Leben unter Bedingungen, die sich klar von jenen unterscheiden, unter denen Legehennen in der hierzulande bis 1992 erlaubten Batteriehaltung ihr Dasein fristeten. Die Tiere können sich in einer Halle frei bewegen und legen ihre Eier in lichtgeschützten Nischen. Sie picken in der Halle auf dem mit Stroh eingestreuten Boden und haben Zugang zu einem mit Holzschnitzeln bedeckten Aussenbereich. Bei schönem Wetter stolzieren sie über eine Weide und kühlen sich im Schatten der Obstbäume. Die Hühner sind 11 Monate lang produktiv. Danach werden sie geschlachtet und durch 18 Wochen alte Junghennen ersetzt.
Bei den Saucys muss die Weide fünf Quadratmeter Platz pro Huhn bieten. In der konventionellen Haltung ist nur die Hälfte davon vorgesehen. Hier stammt das Futter aus biologischer Landwirtschaft und der Hühnerkot wird vor Ort weiterverwendet. «Seit 20 Jahren haben wir kein einziges Kilo Dünger für unsere Felder eingekauft», bilanziert der Jurassier, auf dessen Hof auch 45 Milchkühe grasen. Deren Futter wird direkt hier auf dem Hof produziert.
Was das Futter betrifft, so unterstreicht Alexandra Gavilano, Ernährungsspezialistin bei Greenpeace und Befürworterin der Initiative, die beträchtlichen Umweltauswirkungen des Imports von Soja und Getreide. Sie bedauert, dass «die Importsteuern auf Tierfutter seit Beginn des Kriegs in der Ukraine gesenkt wurden». Und sie appelliert an die Schweizerinnen und Schweizer, ihren Fleisch-, Milch- und Eierkonsum zu senken: Kulturpflanzen müssten zuerst Menschen ernähren.
Entsprechend stark ist angesichts dieses Kerngedankens der ethische Aspekt der Initiative: «Die Würde des Tiers beinhaltet auch das Recht, nicht in Massentierhaltung gehalten zu werden», verlangen die Initiantinnen und Initianten. Sie betonen, dass nur 12 Prozent der Nutztiere im Lauf ihres Lebens Zugang zu einer Weide haben und dass bis zu 4 Prozent der Tiere verenden, bevor sie überhaupt im Schlachthaus ankommen.
Mit diesen Zahlen konfrontiert, entgegnet Noël Saucy: «Die Höfe mit 18'000 Hühnern verfügen auch über Winterquartiere und Weiden.» Trägt die Initiative dem Umstand Rechnung, dass der Bund die Schweizer Landwirtschaft schützen will? Letztlich fürchtet Noël um die Privilegien der Bio-Branche: «Wenn die Produktionsmenge aufgrund der tieferen Anzahl Hühner pro Hof zurückgeht, sind wir der Konkurrenz durch Geflügel aus dem Ausland ausgesetzt, das unter deutlich schlechteren Bedingungen gehalten wird als in der Schweiz.»
«Die Höfe mit 18'000 Hühnern verfügen auch über Winterquartiere und Weiden.»
In der EU dürfen Hühnerbäuerinnen und -bauern bis zu 100 000 Tiere pro Hof halten. Saucy fürchtet, dass es problematisch wäre, die Anzahl kleiner Biohöfe zu vervielfachen, obwohl er selbst dieses Modell betreibt. Die Initianten und Initiantinnen hingegen sind der Meinung, dass dies sehr wohl dem Tierwohl dienen würde.
Sollte die Initiative angenommen werden, wären ungefähr 5 Prozent der Schweizer Betriebe gezwungen, ihre Haltungsart zu ändern. Greenpeace gibt an, dass 237 Bauernhöfe mehr als 12 000 Hühner halten, was 43 Prozent des Schweizer Bestands ausmacht. Wie erklärt sich, dass auch ein Teil der Biobauern die Initiative bekämpft? Die jurassische Landwirtin Christine Gerber, Mitglied der Organisation Uniterre, hat eine Theorie: «Die Männer sind in einem System der Loyalität gegenüber ihren Standesgenossen und in ihrer Erziehung gefangen. Wir Frauen hingegen bringen die Kinder zur Welt, tragen Verantwortung für die Zukunft.» Ihr Hof liegt in den Freibergen, eine Insel der Neo-Landwirtschaft. Hier kommt Fleisch nur zweimal wöchentlich auf den Tisch.
Christine Gerber steht einer Verringerung der Geflügel- und Schweinefleischproduktion positiv gegenüber. Sie ist besorgt über Projekte, welche die Milchproduktion erhöhen wollen: «Mehr Kühe bedeuten noch mehr Gülle. Doch der Boden ist bereits überlastet.» Selber plant sie, ihren Viehbestand zu reduzieren. Und sie betont, die Initiative sehe eine sehr lange Übergangsfrist von 25 Jahren für die Umstellung auf Biolandwirtschaft vor: «Es braucht künftig mehr Kleinbauernhöfe, das wäre eine positive Entwicklung.»
Aus Sicht von Greenpeace wird der Wandel früher oder später geschehen, denn Getreide und Futtermittel werden in einer vom Menschen bedrängten Umwelt knapper. «Man muss den Bäuerinnen und Bauern helfen, die vom System aus Produktion und Grosshandel abhängig sind», findet Alexandra Gavilano. Sie geht davon aus, dass die Initiative «eine politische Grundlage für die Äufnung eines Fonds für den Wandel in der Landwirtschaft schaffen würde». Der Bundesrat hat einen direkten Gegenvorschlag zum Initiativtext eingereicht. Dieser hätte vorgeschrieben, dass alle Nutztiere regelmässigen Auslauf erhalten. Doch der Nationalrat sprach sich dagegen aus.
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