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Die Beherbergung von internationalen Organisationen wäre weltweit beliebt. Das teure und verkehrsverstopfte Genf hat für die Organisationen jedoch nicht an Attraktivität verloren. Knapp eine Milliarde Franken wird nun in die Renovation der UNO-Gebäude investiert.
Wie kommt es, dass ein Stadtkanton mit nur 500 000 Einwohnern ein dermassen beliebter Begegnungsort für die Nationen aus aller Welt ist? Und wird diese Sonderstellung fortbestehen angesichts der hohen Lebenshaltungskosten und einer Agglomeration, in der «die Möglichkeiten, eine Unterkunft nahe bei der Arbeit zu finden, deutlich eingeschränkt sind, das Strassennetz permanent überlastet ist, ganz zu schweigen vom schwachen Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs», wie eine Ende 2015 veröffentlichte Studie des Observatoriums der Fondation pour Genève hervorhebt?
Die Autoren der Studie weisen auf eine paradoxe Situation hin: «Während heute so viele Akteure zum internationalen Genf beitragen wie noch nie zuvor, stellt sich regelmässig und nachdrücklich die Frage, ob Genf neben New York auch weiterhin eines der beiden Hauptzentren internationaler Governance bleiben kann.» Die Konkurrenz kommt insbesondere aus Asien. Einige asiatische Länder verlangen ihren Anteil am Kuchen, wenn es um die Beherbergung internationaler Organisationen (IO) geht.
«Ich bin optimistisch», sagt Guy Mettan, Direktor des Schweizer Presseclubs, der drei Hauptgründe für die Argumente dieses Platzes gegenüber Begehrlichkeiten von Städten wie Budapest, Abu Dhabi, Nairobi oder auch Songdo in Südkorea sieht. «Zunächst hat Genf die Beherbergung diplomatischer Missionen seit 15 Jahren ausgeweitet und gefördert. Das ist genau der springende Punkt, denn die Einrichtung einer Botschaft ist teuer und die Länder wählen den besten Standort, denjenigen mit der grössten diplomatischen Dichte, für ihre Vertretungen.» Die Zahlen bestätigen dies. In den vergangenen zehn Jahren sind 20 neue ständige Missionen im Büro der Vereinten Nationen in Genf oder bei anderen internationalen Organisationen hinzugekommen, sodass die Zahl der Missionen in Genf nach Angaben des Genfer Präsidialdepartements inzwischen 175 beträgt. Laut einer Studie über das internationale Genf aus dem Jahr 2013 erfolgten in den vergangenen Jahren 21 Teilauslagerungen gegenüber 18 Niederlassungen. Das Verhältnis scheint also ausgeglichen zu sein.
Zweiter Vorteil des Kantons: «Genf ist nicht Bern», stellt Guy Mettan schmunzelnd fest. «Da die Stadt keine Hauptstadt ist, steht sie nicht für eine Nation. Sie befindet sich zudem in einem neutralen Land, gehört keiner supranationalen Organisation an und kann daher keiner Pro-NATO- oder Pro-EU-Politik verdächtigt werden. Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen bedienen somit nicht die Interessen der Schweiz, wenn sie sich dorthin begeben, sondern verteidigen ihre regionalen Interessen», fährt der Direktor des Schweizer Presseclubs fort. Angesichts der anhaltenden Spannungen in der Ukraine und des blutigen Kriegs im Nahen Osten sichert die doppelte Neutralität Genfs dem Kanton daher weiterhin eine privilegierte Position.
Im internationalen Vergleich ist der Kanton dem Bericht der Fondation pour Genève zufolge auch ein weltweit führendes Zentrum, was die jährliche Zahl an stattfindenden Konferenzen und internationalen Versammlungen betrifft (circa 2700), und zwar noch vor New York.
Im April, als Missstände bei der für die Steuerung der Renovation der UNOGebäude zuständigen FIPOI (Immobilienstiftung für die internationalen Organisationen) hohe Wellen in Genf schlugen, hatte der SP-Nationalrat und Anwalt Carlo Sommaruga in der Westschweizer Presse eine «Erosion» bei der Unterstützung des internationalen Genfs in Bern festgestellt. Diese Missstimmung bei den Abgeordneten hatte sich bei der Abstimmung über die Darlehen für die Arbeiten im internationalen Genf aber nicht bestätigt, betont er. Im Juni hat das Genfer Parlament seinerseits Darlehen für die Renovationsarbeiten genehmigt. Nebenbei hat es auch beschlossen, eine weitere Stiftung, die FCIG, die sich der Beherbergung von Nichtregierungsorganisationen widmet, abzuschaffen. Dies hat den Zugriff auf Guthaben in einer geschätzten Höhe von 28 Millionen Franken ermöglicht.
Für Guy Mettan hat dieses Ereignis etwas Anekdotisches. Carlo Sommaruga sieht darin hingegen ein Zeichen von Desinteresse des Kantons und des Bundes für diese Organisationen. «Es geht um die Bewahrung und Weiterentwicklung optimaler Rahmenbedingungen in Genf, damit die Zivilgesellschaft und die Nichtregierungsorganisationen ihre grundlegenden Aufgaben für das reibungslose Funktionieren der UNO-Einrichtungen und der weltweiten Governance wahrnehmen können», argumentiert er.
Nachdem die FIPOI-Affäre nun beendet ist, scheint der Kanton «Werkzeugkoffer der globalen Welt» zu spielen. Der Präsident der Fondation pour Genève, der Genfer Bankier Ivan Pictet, zeigt sich ebenfalls gelassen. «Selbst im Zeitalter elektronischer Hochgeschwindigkeitskommunikation sind physische Zusammenkünfte und ein direkter Meinungsaustausch zwischen den Verantwortlichen weiterhin unerlässlich», betont er.
Seiner Meinung nach zeichnen sich zwei künftige Tendenzen ab: «eine internationale Zusammenarbeit in weniger strengen Formen als nach dem zweiten Weltkrieg» und eine Zunahme der öffentlich-privaten Partnerschaften. Als Beispiel nennt er den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, der 2002 ins Leben gerufen wurde und dessen Sitz sich ebenfalls in Genf befindet.
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