Politik
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Über vier völlig unterschiedliche Themen kann das Volk am 14. Juni 2015 abstimmen: Es geht um Erbschaftssteuern, künstliche Befruchtung, Radio- und Fernsehgebühren sowie um Stipendien.
Direktdemokratisches Aufräumen ist vor den eidgenössischen Wahlen im Herbst angesagt: Bereits am 14. Juni findet auf Bundesebene die wohl letzte Volksabstimmung dieses Jahres statt. Die sonst üblichen Abstimmungstermine vom September und November entfallen (ausser in einem Dringlichkeitsfall), weil der Politbetrieb vor den Parlamentswahlen am 18. Oktober nicht allzu sehr strapaziert werden soll. Dafür gibt es nun im Juni eine Vollpackung: Gleich vier Vorlagen mit einer breiten Themenpalette kommen vor das Volk. Zwei Volksinitiativen, mit allerdings sehr unterschiedlichem emotionalem Gehalt, stehen zur Debatte: Die eine verlangt die Einführung einer nationalen Erbschaftssteuer, bei der anderen geht es um die Harmonisierung der Stipendien. Auf der Agenda steht auch das ethisch schwierige Thema Präimplantationsdiagnostik. Und bei der Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes wird ein Systemwechsel bei den Rundfunkgebühren angestrebt.
Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren Volksbegehren, bei denen Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Umverteilung im Zentrum standen. Erinnert sei an die Abzocker-Initiative, die Mindestlohn- und die 1:12-Initiative sowie die Initiative zur Abschaffung der Pauschalsteuer. Ins gleiche Kapitel gehört die Initiative mit dem Titel «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV (Erbschaftssteuerreform)». Das von links-grünen Parteien und der Evangelischen Volkspartei lancierte Begehren will die Erbschafts- und Schenkungssteuer neu auf Bundesebene verankern. Der Ertrag der neuen Steuer soll zu zwei Dritteln der AHV zugutekommen, ein Drittel würde an die Kantone fliessen. Im Gegenzug dürften die Kantone diese Steuer nicht mehr selbst erheben. Fast alle Kantone kennen eine Erbschaftssteuer, davon befreit sind jedoch fast überall die direkten Nachkommen. Das gälte bei der neuen Regelung nicht mehr; nur noch die Ehepartner wären von der Steuer ausgenommen. Erbschaften würden in Zukunft mit 20 Prozent besteuert, wobei ein Freibetrag von zwei Millionen Franken gilt.
Es gebe keine gerechtere Steuer als die Erbschaftssteuer, weil Erbschaften Vermögen seien, die nicht selbst erarbeitet worden seien, sagen die Befürworter. SP-Präsident Christian Levrat weist zudem darauf hin, dass die Vermögenskonzentration ständig zunehme; heute besitze in der Schweiz ein Prozent der Bevölkerung 59 Prozent des Vermögens. Die Gegner fechten mit dem Argument, die Initiative greife in die Finanz- und Steuerhoheit der Kantone ein und schade der Wirtschaft, insbesondere weil sie die Nachfolgeregelung in Betrieben erschweren oder verunmöglichen könne. Zudem würden Einkommen durch die Einkommens-, die Vermögens- und die Erbschaftssteuer gleich dreifach besteuert. Das sei «fiskalischer Klassenkampf», findet der Appenzeller FDP-Nationalrat Andrea Caroni. Ganz anders beurteilt dies seine SP-Ratskollegin Susanne Leutenegger Oberholzer, sie spricht vom «Trend zur Feudalisierung» unserer Gesellschaft.
Wer heute Radio- und Fernsehsendungen konsumiert, braucht nicht mehr unbedingt ein traditionelles Radio- oder Fernsehgerät. Der Empfang ist auch auf dem PC, dem Smartphone und dem Tablet möglich. Durch die Teilrevision des Radio- und Fernsehgesetzes soll wegen dieses technologischen Wandels ein Systemwechsel vollzogen werden: Anstelle der bisherigen Empfangsgebühren für Gerätebesitzer soll eine allgemeine Abgabe für alle Haushalte treten. Auch Unternehmen ab einem Jahresumsatz von 500000 Franken müssen zahlen.
Die Vorteile sind weniger Bürokratie und tiefere Gebühren: Denn Schwarzsehen und -hören ist nicht mehr möglich und aufwendige Kontrollen entfallen. Da die Abgaben auf mehr Haushalte und Unternehmen verteilt werden, wird die Gebühr von heute 462 Franken pro Haushalt auf rund 400 Franken fallen. Von den Empfangsgebühren von jährlich rund 1,3 Milliarden Franken fliesst ein Grossteil in die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG), profitieren von der Revision könnten jedoch auch die privaten Stationen, sie sollen etwas mehr erhalten, nämlich zwischen vier und sechs Prozent der Summe.
Die Vorlage führte im Parlament zu einer breiten Mediendebatte. Zu den fundamentalen Kritikerinnen der SRG und der staatlichen Empfangsgebühren gehört die Zürcher SVP-Nationalrätin Nathalie Rickli. Auf ihrer Homepage schreibt sie: «Wir haben es also mit einer willkürlichen Steuer zu tun: Jene, die kein Empfangsgerät haben, müssen künftig eine Steuer entrichten.» Und: «Tatsächlich bescheren uns das Internet- und Multimedia-Zeitalter so viel Medienvielfalt wie noch nie: Hunderte von Fernseh- und Radiosendern, Internetseiten und Social-Media-Angeboten. Dies hätte eigentlich zum Anlass genommen werden sollen, das staatliche Angebot im Medienbereich zu hinterfragen. Gerade weil es so viele private Angebote gibt, ist es nicht mehr nötig, dass die SRG 18 Radio-, sieben Fernsehsender und diverse Websites betreibt.»
Rickli unterstützte denn auch den Schweizerischen Gewerbeverband, als dieser beschloss, das Referendum zu ergreifen. Für Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler handelt es sich um eine «Zwangsabgabe», welche die Wirtschaft um zusätzlich 200 Millionen Franken belasten werde.
Innenminister Alain Berset gibt unumwunden zu, dass die Debatte zur Volksabstimmung über die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID) «nicht einfach» sein werde. Seine Bedenken rühren daher, dass das Parlament die Vorlage, die der Bundesrat ursprünglich vorgelegt hat, stark ausweitete. Im Kern geht es darum, dass erblich vorbelastete Paare, deren Kinder von einer schweren Erbkrankheit betroffen sein könnten, die PID in Anspruch nehmen könnten. In der Praxis heisst das: Sie dürfen die Embryonen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung auf die entsprechende Erbkrankheit hin untersuchen lassen, um anschliessend nur jene Embryonen für das Fortpflanzungsverfahren zu verwenden, die nicht von dieser Krankheit betroffen sind. Untersagt bleiben soll, einen Embryo auf spontan auftretende Krankheiten wie Trisomie 21 untersuchen zu lassen.
Das Parlament will nun sehr viel weiter gehen. Es will Chromosomen-Screenings für all jene Paare zulassen, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen. Die ursprüngliche Vorlage hätte wenige Dutzend Fälle pro Jahr zugelassen, mit der parlamentarischen Version müsste mit mehreren Tausend Fällen pro Jahr gerechnet werden. Damit ist die Gegnerschaft deutlich gewachsen. Die Vorlage muss ohnehin zwei Hürden nehmen: Am 14. Juni kommt die Verfassungsänderung vors Volk, mit der die Embryonen-Tests grundsätzlich erlaubt werden sollen. Dafür gab es im Parlament breite Zustimmung. Erst später wird über das wesentlich umstrittenere Gesetz abgestimmt, das die konkrete Anwendung festschreibt. Sollte das Volk am 14. Juni Ja sagen zur Verfassungsänderung, beginnt die Referendumsfrist für das Gesetz. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird das Referendum ergriffen, die Evangelische Volkspartei (EVP) hat es bereits angekündigt.
Wer ein Stipendium braucht für eine Ausbildung an einer höheren Fachschule, Fachhochschule, Technischen Hochschule oder Universität soll überall die gleichen Chancen haben. Heute hängt das vom Kanton ab. «Unfair» findet der Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS) das. Deshalb fordert er mit einer Initiative die Harmonisierung der Stipendienvergabe für den tertiären Bildungsbereich und damit eine Verlagerung der Rechtskompetenz von den Kantonen auf den Bund. Zudem sollen Ausbildungsbeiträge während einer anerkannten tertiären Erstausbildung einen minimalen Lebensstandard garantieren. Eine klare Regelung des Stipendienwesens sei auch ein Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels, hält der VSS fest.
Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative zwar ab, teilen aber deren Stossrichtung. Um Druck wegzunehmen, wurde in Form eines indirekten Gegenvorschlags das Ausbildungsbeitragsgesetz total revidiert. Die Vorlage wurde vom Parlament zwar bereits verabschiedet, sie steht jetzt aber nicht zur Abstimmung. Mit dieser Gesetzesänderung bleiben die Kompetenzen zwischen Bund und Kantonen unangetastet, aber der Bund unterstützt die Kantone bei der Harmonisierung des Stipendienwesens. Konkret sollen nur noch jene Kantone Bundesbeiträge erhalten, die dem Stipendienkonkordat beigetreten sind. Im Konkordat sind, wie vom VSS gefordert, gesamtschweizerische Grundsätze und Mindeststandards festgelegt.
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