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Erstmals wurden im Dezember 2018 gleichzeitig zwei Frauen in den Bundesrat gewählt – und erstmals steht eine Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums. Doch eine entscheidende politische Weichenstellung waren diese Ersatzwahlen nicht.
Es war eine aussergewöhnliche Bundesratswahl – und gleichzeitig eine Wahl im Zeichen von Normalität und Konsolidierung. Aussergewöhnlich war sie, weil erstmals in der Geschichte gleichzeitig zwei Frauen in die Landesregierung gewählt wurden, und dies auch noch souverän im ersten Wahlgang. Eine Wahl im Zeichen von Normalität und Konsolidierung war es deshalb, weil keine Intrigen stattfanden und keine Sprengkandidaturen lanciert wurden. Zudem wurde von keiner Seite der Sitzanspruch der Christlichdemokraten (CVP) und der Freisinnigen (FDP) in Zweifel gezogen. In Zeiten labiler Regierungsmehrheiten in ganz Europa hat die Schweiz ein Zeichen unaufgeregter Normalität und Stabilität gesetzt.
Das heisst aber nicht, dass die Bundesratswahlen vom 5. Dezember 2018 im Vorfeld keinen Staub aufgewirbelt hätten. Nach den Rücktritten von Johann Schneider-Ammann (FDP) und Doris Leuthard (CVP) im September (siehe «Schweizer Revue» vom November 2018) war das Thema in den Medien höchst präsent. Die St. Galler Ständerätin und frühere Regierungsrätin Karin Keller-Sutter war bei der FDP von Beginn weg die unangefochtene Spitzenkandidatin. Bei der CVP war die Ausgangslage unklarer: Die Forderung nach einer Frauenkandidatur war zwar ebenfalls von Anfang an da, doch brachten sich auch einige Männer in Position.
Da es seit einiger Zeit üblich geworden ist, der Bundesversammlung eine Auswahl von mindestens zwei Kandidierenden zu präsentieren, sahen sich selbst die Freisinnigen mit ihrer unangefochtenen Kronfavoritin gezwungen, ein Zweierticket vorzulegen. Zur Verfügung stellte sich der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki, der zwar nicht den Hauch einer Chance hatte, aber immerhin seinen Bekanntheitsgrad steigern konnte. Die CVP setzte nach einer parteiinternen Ausmarchung schliesslich die Walliser Nationalrätin und frühere Stadtpräsidentin von Brig-Glis, Viola Amherd, und die Urner Regierungsrätin Heidi Z’Graggen auf ihr Zweierticket. Die beiden Frauen lieferten sich in der öffentlichen Debatte während längerer Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Deshalb war es dann doch eine grosse Überraschung, dass sich Amherd bereits im ersten Wahlgang mit 148 Stimmen durchsetzte, während Z’Graggen auf 60 Stimmen kam. Die beiden Kandidatinnen unterschieden sich nicht fundamental, doch kam einmal mehr die alte Regel zum Zug, dass die Bundesversammlung Persönlichkeiten vorzieht, die man aus der parlamentarischen Zusammenarbeit kennt. Bei Keller-Sutter erwartete ohnehin niemand eine Überraschung, sie wurde mit 154 Stimmen ebenfalls im ersten Wahlgang gewählt, ihr Konkurrent Wicki erreichte mit 56 Stimmen einen Achtungserfolg.
Die Bundesratswahlen zeugen in dreifacher Hinsicht von einer konsolidierten Normalität und Stabilität: Erstens ist der Anspruch der Frauen auf angemessene Vertretung in der obersten Landesbehörde über die Parteigrenzen hinweg zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Zweitens ist Ruhe eingekehrt, seit die Schweizerische Volkspartei (SVP) ihre zwei Sitze im Bundesrat hat; gehässige Debatten, über die «richtige» Zauberformel spielen derzeit bei Bundesratswahlen keine Rolle mehr. Und drittens verändern die beiden neugewählten Bundesrätinnen die politische Mechanik innerhalb des Gremiums kaum: Die rechtsliberale Karin Keller-Sutter unterscheidet sich in ihren wichtigsten politischen Positionen wenig von ihrem Vorgänger Johann Schneider-Ammann. Das gilt auch für Viola Amherd, die wie die abtretende Doris Leuthard als klassische Mittepolitikerin eher sozial-liberal politisiert. Amherd gilt als wirtschaftsliberal, gleichzeitig aber als gesellschaftspolitisch offen und wird dem linken CVP-Flügel zugeordnet.
Eine Richtungswahl war der 5. Dezember definitiv nicht. Diese hat nämlich schon im September 2017 stattgefunden. Damals löste der rechtsliberale Tessiner FDP-Politiker Ignazio Cassis seinen abtretenden Parteikollegen Didier Burkhalter ab. Der weltoffene Burkhalter spielte häufig das Zünglein an der Waage zwischen der nominell rechten Mehrheit aus SVP und FDP im Bundesrat und Mitte-links, bestehend aus den beiden SP-Regierungsmitgliedern und der CVP-Bundesrätin Leuthard. Burkhalter galt bei der SVP als unsicherer Kantonist und geriet zunehmend auch in seiner eigenen Partei unter Druck – und zog deshalb mit seinem Rücktritt die Konsequenzen. Die rechtsbürgerliche Orientierung des Bundesrates bleibt also erhalten. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass sich im Regierungskollegium eine überraschende Dynamik entwickelt. Denn beide Neugewählten gelten als kompromissbereite Persönlichkeiten – auch gerade Karin Keller-Sutter. Zumindest hat sie keine Berührungsängste: Sie hat im Ständerat mit dem pointiert links politisierenden anderen St. Galler Ständerat, dem Sozialdemokraten Paul Rechsteiner, ein gut funktionierendes Arbeitsverhältnis gefunden.
Etwas weniger reibungslos als die Wahlen ging die Departementsverteilung über die Bühne. Es brauchte zwei Gesprächsrunden unter den sieben Bundesratsmitgliedern und dann auch noch eine Abstimmung in der neu zusammengesetzten Landesregierung. Dieses Vorgehen lässt auf eine eher kontroverse Debatte schliessen. Viola Amherd (CVP) übernimmt als erste Frau das Verteidigungsministerium (VBS), Karin Keller-Sutter (FDP) das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD). Der bisherige VBS-Chef Guy Parmelin (SVP) geht ins Wirtschafts-, Bildungs- und Forschungsdepartement (WBF), die bisherige Justizministerin Simonetta Sommaruga (SP) übernimmt das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK).
Die SP behält mit Bundesrat Alain Berset das gewichtige Innenministerium und übernimmt zugleich das breit aufgestellte Infrastrukturdepartement UVEK. Die SVP erhält mit dem WBF jenes Departement, das unter anderem in der Europapolitik eine Schlüsselrolle spielt. Wirtschaftsminister Guy Parmelin wird zusammen mit dem im Aussenressort verbleibenden Ignazio Cassis (FDP) die Stellung der Schweiz in Europa und der Welt wesentlich mitprägen. Auch Ueli Maurer (SVP) behält das Finanzministerium. Die CVP, die nur einen Bundesratssitz innehat, muss nach dem Abgang der bisherigen UVEK-Chefin Doris Leuthard einen Bedeutungsverlust verkraften, denn das Verteidigungsdepartement gilt nicht als Schwergewicht unter den Ministerien. Immerhin behält die CVP mit Bundeskanzler Walter Thurnherr eine wichtige Funktion in der obersten Landesbehörde.
Die St. Galler FDP-Politikerin Karin Keller-Sutter (*1963) ist Übersetzerin und Konferenzdolmetscherin. Sie absolvierte Nachdiplomstudien und erlangte die Lehrbefähigung als Berufsmittelschullehrerin. Ihre politische Karriere begann sie in Wil, wo sie von 1992 bis 2000 als Gemeinderätin tätig war. Von 1996 bis 2000 war sie auch Mitglied des St. Galler Kantonsrats und zwischen 1997 und 2000 zu-dem Präsidentin der FDP des Kantons St. Gallen. 2000 wurde Karin Keller-Sutter in den Regierungsrat gewählt und amtierte als Vorsteherin des Sicherheits- und Justizdepartements. Ins nationale Rampenlicht trat sie erstmals auch als Präsidentin der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren. Seit 2011 sass sie im Ständerat, den sie 2017/18 präsidierte.
Die Walliser CVP-Politikerin Viola Amherd (*1962) ist Juristin. Sie war bis zu ihrer Wahl in den Bundesrat selbstständige Rechtsanwältin und Notarin in Brig. Von 1996 bis 2006 war sie nebenamtliche Richterin der Eidgenössischen Personalrekurskommission. Ihre politische Karriere begann sie 1993 in der Stadtregierung von Brig-Glis. Von 2001 bis 2012 war sie Stadtpräsidentin der Oberwalliser Metropole. 2005 rutschte sie für Jean-Michel Cina in den Nationalrat nach. Sie war Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Verkehr- und Fernmeldewesen und der Kommission für Rechtsfragen. Zudem war sie Mitglied des Büros des Nationalrats sowie Vizepräsidentin der CVP-Bundeshausfraktion. In der CVP Oberwallis war sie Mitglied des Präsidiums.
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