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  • Literaturserie

Felix Moeschlin | Äppelvik zwischen alter und neuer Zeit

22.01.2018 – Charles Linsmayer

Der Basler Felix Moeschlin zeigte die Gefahren einer übereilten Modernisierung in seinem Roman «Amerika-Johann» auf – am Beispiel eines schwedischen Dorfes.

«Tag und Nacht bin ich von der Natur umschlossen. Ein halber Monat ist es her, und ich frage mich, ob ich nicht seit Jahren schon in diesem Walde wohne. Bin ich nicht überhaupt schon immer hier gewesen?» Felix Moeschlin, der dies 1908 in der NZZ schrieb, hatte sich in Schweden verliebt. Da lebte er von 1908 bis 1914, da lernte er die Malerin Elsa Hamar, die die Mutter seiner drei Kinder werden sollte, kennen, und da liess der 1882 geborene Basler nach dem im heimatlichen Leimental spielenden Bauernroman «Die Königschmieds» und dem Künstlerroman «Hermann Hitz» seinen dritten Roman, «Der Amerika-Johann», spielen.

Ein cleverer Heimkehrer

Schauplatz ist das Bauerndorf Äppelvik, hinter dem sich Leksand am Siljansee verbirgt, wo Moeschlin eigenhändig ein Haus gebaut hatte. Dahin lässt er seinen Amerika-Johann nach Jahren heimkommen, um den Dorfbewohnern mittels eines Sägewerks, eines Kaufladens und neuer Finanzierungsstrategien den Anschluss an die neue Zeit zu ermöglichen. Das geht so lange gut, bis die schnell entfachte Konjunktur zusammenbricht und die Bauern dem Scharlatan ihre Höfe um einen Pappenstiel für das Projekt einer Art schwedischen Ballenbergs verkaufen, wo die alte Tradition für zahlungskräftige Touristen aus aller Welt zur gewinnträchtigen Folklore verkommen soll. Erst als ruchbar wird, dass der neue Besitzer die zusammengekauften Höfe einem dubiosen Millionär verkaufen will, erwachen die Bauern aus ihrer Lethargie, schlagen den kuriosen Propheten kurzerhand tot und ziehen aus dem Mord ihre Konsequenzen: die Alten im Gefängnis, die Jungen, indem sie das korrumpierte Gemeinwesen im Sinne des Bewährten, aber auch mit dem Blick auf massvoll Neues wieder aufbauen.

Erhaltung des Bauernstandes

Wäre Moeschlin nicht ein ausgezeichneter Kenner Schwedens und seiner Kultur gewesen, man hätte für Äppelvik auch Zermatt oder Grindelwald setzen können. Und der Verfasser des 1912 in der Schweiz mit Wohlwollen aufgenommenen «Amerika-Johanns» war eine Top-Besetzung, als er 1915 Kurdirektor von Arosa wurde. Aber nicht nur da, auch in seinem späteren Wirken als Kolumnist der Basler Nationalzeitung, als Redaktor bei der Zürcher Tat und als Landesring-Nationalrat war ihm die Erhaltung eines lebensfähigen Bauernstandes ebenso ein Anliegen wie der Anschluss an neue Entwicklungen.

So wollte er 1934 die Arbeitslosigkeit in der Schweiz mit der Errichtung einer bäuerlichen Grossgenossenschaft in Brasilien bekämpfen, während er 1949 mit dem zweibändigen Werk «Wir durchbohren den Gotthard» zeigte, wie das riskante und viele Opfer fordernde Projekt des ersten Gotthardtunnels sich am Ende als Segen für das Land erwies. Dass Moeschlin, der von 1924 bis 1942 Präsident des Schweizerischen Schriftsteller-Vereins war und 1969 in Basel starb, massgeblich daran beteiligt war, dass im 2. Weltkrieg viele der vor Hitler geflohenen Schriftstellerkollegen von Arbeitsverboten belegt oder ausgeschafft wurden, gehört zu den dunklen Seiten dieses Autors.

In seinem geglücktesten Werk, dem «Amerika-Johann», wusste er dagegen die auch für die Schweiz folgenschwere Konfrontation zwischen alter und neuer Zeit mit einer begeisternden Hommage an Schweden zu verbinden.

Charles Linsmayer ist Literaturwissenschaftler und Journalist in Zürich.

«Was die Bauern früher be­sassen, war ererbt, und nicht gewählt und gewollt. Sie waren Bauern, weil ihre Väter Bauern gewesen waren. Deshalb kam ihr ganzes Dasein so leicht ins Wanken. Unser Leben aber ist gewählt, und nicht von der Pflicht und der Gewohnheit wird es regiert, sondern von der Neigung und der Freude und dem frohen Willen.» 

Aus: Felix Moeschlin: «Der Amerika-Johann». Roman. Ex-Libris-Verlag 1981 (vergriffen).

Bibliografie: «Der Amerika-Johann» ist zuletzt 1981 mit einem Nachwort von Egon Wilhelm in der Ex-Libris-Reihe «Frühling der Gegenwart» erschienen und antiquarisch greifbar.
 

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