Editorial
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Einige sind mächtig wie der Genfersee. Andere sind winzige, namenlose Gewässerperlen im Hochgebirge. Wer nebst den grossen auch all die winzigen zählt, kommt in der Schweiz auf über 6000 Seen. Die Landschaft dazwischen wird von 65 000 Kilometer Fluss- und Bachläufen durchzogen. Und die Flüsse verbinden das bergige Land mit dem Meer: Was an den Alpenflanken abperlt, fliesst zu einem grossen Teil in die Nordsee, ins Mittelmeer, die Adria und selbst ins Schwarze Meer. Es ist schweizerischer «Überfluss» im wörtlichen Sinn.
Dieser Wasserreichtum prägt das Selbstbild der Schweiz. Sie sieht sich gerne als «Wasserschloss Europas». Dazu passt die Alltagserfahrung, wie sorglos überall Wasser vom Hahn getrunken werden kann. Doch diese Sorglosigkeit wird zunehmend eingetrübt. Im Wasserschloss herrscht Unruhe.
So wird im Schweizer Trinkwasser vielerorts der Höchstwert für Chlorothalonil überschritten, was den Glauben ans reine Lebensmittel Wasser erschüttert. Dieses bis Ende 2019 zugelassene Fungizid steht im Verdacht, krebserregend und genverändernd zu sein. Jetzt verdünnen viele Wasserversorger das kontaminierte mit sauberem Wasser. Wasser verdünnen, damit es trinkbar wird: gar kein schönes Bild.
Die Schweizer Bauern, die das – erlaubte – Pestizid zum Schutz ihrer Kulturen eingesetzt hatten, fühlen sich zu Unrecht kritisiert. In der Tat greift es zu kurz, sie allein zu tadeln. Es ist letztlich der mit der Zersiedelung einhergehende Verlust an Kulturland und der Run der Konsumentinnen und Konsumenten auf billige Lebensmittel, die zu immer «effizienterer» Landwirtschaft samt ihren Nebenwirkungen führen. Welche Landwirtschaft wollen wir? Diese Frage prägt auch die kontroverse Debatte über gleich zwei Initiativen, über die die Schweiz am 13. Juni abstimmt.
Übrigens liefern die Hydrologen einen weiteren Grund zur Sorge über die Zukunft des Wasserschlosses. Ihre Prognose in Sachen Klimawandel: Die Schweiz wird nässer und trockener zugleich. Die Winter werden niederschlagsreicher, der Schnee wird früher und die Gletscher stärker abschmelzen. Mehr Wasser wird in kürzerer Zeit talwärts fliessen, statt im Gebirge gespeichert zu werden. Die Sommer hingegen werden regenärmer. Regionale Wasserknappheit – besonders dort, wo Intensivlandwirtschaft betrieben wird – und Trockenheit werden häufiger auftreten. Zugleich werden die Gewässertemperaturen weiter steigen und die Fischbestände gefährden. Der im Spätsommer 2018 komplett ausgetrocknete Lac des Brenets im Neuenburger Jura war womöglich ein Vorbote des neuen Schweizer Sommerklimas.
BILD: Wasserquelle Macun, Foto commons.wikimedia.org
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