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  • In eigener Sache

«Die Verbundenheit mit der Heimat stärken»

26.07.2024 – Susanne Wenger

Warum erschien 1974 die erste «Schweizer Revue»? Und wie hat sie sich zu der Zeitschrift entwickelt, die sie heute ist? Eine Erkundung über die «Revue» in der Welt und die Schweiz in der «Revue» – aus Anlass des 50. Geburtstags.

Die allererste Ausgabe der «Schweizer Revue» verspricht 1974 auf der Titelseite «neuen Aufschwung». Dies bezieht sich jedoch nicht auf die publizistische Premiere, sondern auf die revidierten Statuten des Solidaritätsfonds der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Erst weit hinten erfährt die Leserschaft: Jetzt erhalten erstmals sämtliche Ausgewanderten die gleichen Informationen aus dem Herkunftsland. Der Start zeugt von pragmatischen Beweggründen der herausgebenden Auslandschweizer-Organisation und des Bundes, der die «Revue» von Anfang an finanziell unterstützte.

Dr. Rudolf Wyder

«Beide hatten ein Interesse, die Gesamtheit der Auslandschweizerinnen und -schweizer mit ihren Informationen zu versorgen», erklärt Rudolf Wyder. Der Berner Historiker begleitete als ASO-Direktor von 1987 bis 2013 die «Schweizer Revue» 26 Jahre lang. In seinem 2016 veröffentlichten Buch «Globale Schweiz» geht er auch auf die «Revue»-Anfänge ein. Die Zeitschrift ist föderalistisch entstanden, sagt er.

Es begann in Frankreich

Ab 1970 verbreiteten ASO und Bund ihre Informationen zunächst über die bestehende regionale Auslandschweizer-Presse. Als Erste erhielten alle Landsleute in Frankreich den erweiterten «Messager des Suisses en France» in einer Grossauflage kostenlos zugestellt. Schrittweise kam ein Dutzend weitere Titel aus anderen Weltgegenden dazu, «und nach vier Jahren war das neue globale Informationssystem komplett», so Wyder. Es war die Zeit vor dem World Wide Web. Und es war die Zeit, in der sich Mutter Helvetia ihrer Kinder in aller Welt zunehmend bewusst wurde.

«Schweizer Revue» damals und heute

  • Im Jahr 1974 erreicht die Revue erstmals alle damals 320 000 im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer. Sie erscheint viermal pro Jahr in fünf Sprachen, unter 13 verschiedenen Titeln und wird an 15 Orten rund um den Globus gedruckt.
  • Im Jahr 2024 erreicht die Revue mit ihren 430 000 Exemplaren nahezu die Gesamtheit der 813 400 Schweizer Staatsangehörigen, die im Ausland leben. Die vereinheitlichte und in der Schweiz gedruckte Zeitschrift erscheint sechsmal pro Jahr in vier Sprachen, als Print- und elektronische Version.

Im Jahr 1966 war ein Verfassungsartikel geschaffen worden, der als Bundeskompetenz festhielt, «die Beziehungen der Auslandschweizer unter sich und zur Heimat zu fördern». Die «Schweizer Revue» wolle «die Verbundenheit mit der Heimat stärken», heisst es denn auch in der ersten Herausgebernotiz. Angekündigt wurden offizielle Mitteilungen und «schweizerische Artikel von allgemeinem Interesse». Dieses Kriterium erfüllte in der ersten «Revue» der siegreiche Skirennfahrer Roland Collombin, der als «einfacher Walliser mit frohem Gemüt» porträtiert wurde. Der Mix aus Mitteilungen und Artikeln, ergänzt mit Lokalnachrichten der Auslandschweizer-Vereine, sollte in den folgenden fünfzig Jahren bestehen bleiben. Zugleich hat sich die «Revue» zwischen der ersten und der vorliegenden 259. Ausgabe stark verändert.

1974

Die Erstausgabe, 1/1974.

1979

Ausgabe 1/1979: Mit Hans Hürlimann ziert ein honoriger Bundesrat das Cover der «Revue».

1987

Ausgabe 1/1987: Erstmals in Farbe.

1992

Ausgabe 2/1992: Der Ausbau der politischen Rechte für die Fünfte Schweiz als dominierendes Thema.

1993

Ausgabe 4/1993: Die multikulturelle Schweiz im Fokus − mit aus heutiger Sicht etwas stereotyper Bildsprache

2003

Ausgabe 5/2003: Roger Federer

2006

Ausgabe 2/2006: Fast boulevardesk – mit «Mister Schweiz» Renzo Blumenthal auf dem Cover

2014

Ausgabe 4/2014: Roger Federer, der einzige Star, der es bis jetzt mehrmals auf die Titelseite der «Revue» schaffte

2015

Ausgabe 6/2015 mit einem Reizthema: Auge in Auge mit dem wilden Wolf

2018

Ausgabe 6/2018: Ein gedrucktes Buch auf der Titelseite der gedruckten «Revue». Wohl kein Zufall, sondern eher ein Statement.

2019

Ausgabe 6/2019: Als «Cartoonist des Hauses» veredelt Max Spring ab und an die «Revue».

2021

Ausgabe 6/2021: Priya Ragu, eine Vertreterin der bunten Schweiz.

2024

Ausgabe 4/2024: Bauern protestieren, die «Revue» ordnet deren Sorgen ein.

An Farbe gewonnen

Das kann unschwer erkennen, wer in den Ausgaben blättert – was neu digital möglich ist (siehe Kasten). Die Zeitschrift gewann nicht nur äusserlich an Farbe, sondern auch im redaktionellen Konzept.

Aufgestellt als Distributionsnetz für Informationen, kam sie zunächst behörden- und institutionennah daher. Oft blicken Bundesräte honorig vom Titelbild. Mit der Zeit wurde die «Revue» zum journalistisch gemachten Produkt. Sie trennte Offizielles und Redaktionelles; im redaktionellen Teil stellte sie verschiedene Positionen dar, bot Analysen, führte Debatten, pflegte eine Themenvielfalt. «Die ‹Revue› wollte ihr Publikum vermehrt durch einen attraktiven Inhalt gewinnen», sagt Rudolf Wyder. Er hat diese Neuorientierung mitgeprägt.

Blättern in der Vergangenheit der «Schweizer Revue»

Auf unser 50-Jahre-Jubiläum hin können online sämtliche Ausgaben der «Schweizer Revue» von 1974 bis Ende 2023 eingesehen werden. Die Ausgaben 2024 werden Ende Jahr ergänzt. Ermöglicht wird dieses Angebot von der Schweizerischen Nationalbibliothek in Kooperation mit E-Periodica, einem Dienst der ETH-Bibliothek (e-periodica.ch). Digitalisiert wurden sämtliche Ausgaben in allen Publikationssprachen: www.revue.link/revue50

(MUL)

Unabhängige Redaktion

Ab 1992 konnten Auslandschweizerinnen und -schweizer bei nationalen Urnengängen brieflich abstimmen und wählen, anstatt in die Schweiz reisen zu müssen. Es war ein Booster-Jahr für ihre politischen Rechte – wie auch für den Informationsauftrag der «Schweizer Revue». Dieser wuchs gemäss dem Willen von Bundesrat und Parlament, um die politische Willensbildung der Fünften Schweiz zu ermöglichen. Und die ausgewogene Berichterstattung wurde zur Pflicht. Die ASO und das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) stellten die Zeitschrift auf eine neue vertragliche Grundlage.

In der bundesrätlichen Botschaft zum Gesetz war empfohlen worden, die Erscheinungsweise der «Revue» von vier auf acht Ausgaben zu verdoppeln. Die Mittel reichten schliesslich für sechs Ausgaben. Zudem erhielt die «Revue» ein Statut, das die redaktionelle Unabhängigkeit verankerte. Für eine institutionelle Blattkritik und als Rekursinstanz für Beschwerden wurde eine Kommission eingesetzt. Diese Struktur besteht bis heute. Inhaltlich ist die Schweizer Politik logischerweise ein Schwerpunkt geblieben. Doch die «Revue» hat immer auch Themen aus Kultur, Wirtschaft, Gesellschaft und Sport aufgegriffen.

Glacier-Express oder Drogenelend?

In den Leserbriefen und in den Editorials der Chefredaktorinnen und Chefredaktoren spiegelt sich öfters ein Ringen darum, welche Schweiz den Ausgewanderten zu zeigen war. Sollte die «Revue» die schönen, traditionellen erfolgreichen Seiten des Landes hervorheben – wie in den Artikeln über das Nationalgericht Fondue, den Glacier-Express oder Tennis-Superstar Roger Federer, der es zweimal aufs Cover schaffte? Schliesslich galten die ausser Landes lebenden Mitbürgerinnen und Mitbürger ein wenig als Vorposten des Schweizer Ansehens in der Welt.

Oder sollten der Diaspora auch kritische Aspekte des Alpenlandes vermittelt werden – wie in den Beiträgen über das Drogenelend ab Mitte der 1980er-Jahre in den Schweizer Städten oder die Chemie-Katastrophe 1986 bei Sandoz in Schweizerhalle, die die Fische im Rhein tötete? Rudolf Wyder erinnert sich an erboste Reaktionen aus der Leserschaft und dem Auslandschweizerrat. Der Redaktion und ihm sei beschieden worden, die «Revue» dürfe nicht so negativ ins Ausland berichten. Wyder aber stellte sich stets hinter den Anspruch, «die Realität zu vermitteln, kein verklärtes Wunschbild». Das diene den Landsleuten im Ausland am meisten.

Tim Guldimann

Informationspfeiler «Revue»

Die «Revue» tue gut daran, ihrer Leserschaft «den enormen Wandel der Schweizer Gesellschaft nahezubringen», findet der langjährige Auslandschweizer und «Revue»-Leser Tim Guldimann. Der Diplomat und bisher einzige Auslandschweizer-Nationalrat (2015–2018) lebt in Berlin. In der Schweiz präsidiert er den Museumsrat des Nationalmuseums, wo es auch um Identitätsfragen geht. «In unserem viersprachigen Land leben heute mehr Kurdinnen und Kurden als Rätoromanisch sprechende Menschen», stellt er fest, «doch im Selbstverständnis ist noch kaum angekommen, wie sehr die Schweiz selber zur Migrationsgesellschaft geworden ist.» Das gelte für Schweizerinnen und Schweizer inner- und ausserhalb der Landesgrenze, fügt er an.

Die «Schweizer Revue» gehört für den früheren Schweizer Botschafter im Iran und in Deutschland zu den Pfeilern, wenn es darum geht, die Stimmberechtigten im Ausland zu informieren. Darüber hinaus gelingt es der regelmässig eintreffenden «Revue» laut Guldimann, «einen Beitrag an das Gemeinschaftsgefühl der Auslandschweizerinnen und -schweizer zu leisten». Das hält er für wichtig, weil die Mehrheit nicht in einem Schweizer-Verein organisiert sei. Guldimann hat selber publizistische Erfahrung, gibt neu den Podcast «Debatte zu Dritt» heraus. Gefragt, was er in der «Revue» vermisse, antwortet er: Die Zeitschrift könnte sich stärker der konkreten Auslandschweizer-Anliegen annehmen, von der Krankenversicherung bis zu den Bankkonti.

Mit der «Revue» in der Hand

Landsleute im Ausland hätten ihn oft mit der «Schweizer Revue» in der Hand begrüsst, erzählt wiederum der frühere ASO-Direktor Rudolf Wyder: «Sie wollten signalisieren, dass ihnen die Zeitschrift etwas bedeutete, auch wenn sie vielleicht nicht jedesmal alles lasen.» Wyder selber ist der «Revue» nach seiner Pensionierung als Leser treu geblieben. Da er sich in der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik engagiert, interessieren ihn besonders die Artikel zu diesem Thema. Mehrmals habe man für die Finanzierung der «Revue» durch die Eidgenossenschaft kämpfen müssen, hält er fest: «Doch sie lebt bis heute, und ich hoffe: noch lange.»

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