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  • Gesellschaft

Die Schweiz im Reisefieber

06.12.2024 – Denise Lachat

Corona hatte den Reiseverkehr fast zum Erliegen gebracht, jetzt werden wieder Rekorde gebrochen. In der Schweiz ist die Nachfrage nach Flug- wie auch nach Zugreisen gross.

Nach dem Corona-Knick haben die Schweizerinnen und Schweizer wieder Lust aufs Fliegen. Im ersten Halbjahr 2024 reisten mehr als 14,5 Millionen Personen über den Flughafen Zürich, den vor Genf und Basel-Mülhausen grössten der drei Flughäfen des Landes. Das sind elf Prozent mehr Personen als in der Vorjahresperiode und fast so viele wie im ersten Halbjahr 2019, vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Bis Ende 2024 erwartet Zürich 31 Millionen Reisende, die Flughafen Zürich AG vermeldete bereits Ende August einen Rekordgewinn.

Auch die Fluggesellschaft Swiss verzeichnet Rekorde, die Nachfrage nach Flügen stieg im ersten Halbjahr um 12 Prozent (8,5 Millionen Passagiere). Aufholbedarf nach der Zwangspause durch Corona? Markus Flick, Mediensprecher des Schweizer Traditionsreisebüros Kuoni, nennt es eine «Normalisierung», Corona liege nun ja schon einige Jahre zurück.

Nach wie vor sind Schweizerinnen und Schweizer am häufigsten in Europa unterwegs. Das zeigen die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Im Dezember und um den Jahreswechsel haben indes Fernstrecken Konjunktur; die Schweizerinnen und Schweizer zieht es an die Wärme. Kuoni-Mediensprecher Flick kennt ihre liebsten Destinationen: Phuket, die Malediven und Mauritius. Auch die Dominikanische Republik, Südafrika und – etwas näher gelegen – Gran Canaria stehen hoch im Kurs. Zum Glück für die Reiseveranstalter hätten die Fluggesellschaften ihr pandemiebedingt ausgedünntes Angebot wieder aufgestockt, sagt Flick. Das Winterhalbjahr 2024 könnte bei Kuoni sogar noch besser ausfallen als 2023.

Höhere Flugpreise werden hingenommen

Die neu erwachte Reiselust ist keine Schweizer Eigenart, sie ist weltweit zu beobachten. Gemäss Angaben des Internationalen Verbands der Airlines (IATA) erreichte der Flugverkehr im letzten Jahr 94 Prozent des Niveaus vor Corona und stieg im Juli 2024 auf ein «all time high». Dabei ist Fliegen teurer geworden, auch in der Schweiz. Nicht etwa wegen einer helvetischen Flugticketabgabe – diese Lenkungsmassnahme wurde im Sommer 2021 zusammen mit dem Rest des CO₂-Gesetzes vom Schweizer Stimmvolk abgelehnt–, sondern weil die Fluggesellschaften die Ticketpreise für das geschrumpfte Angebot erhöhten. Da gleichzeitig Kerosin teurer wurde, kosteten Flugreisen im Jahr 2023 teils bis zu 30 Prozent mehr. Auch 2024 lagen die Preise trotz leichter Abnahme noch über dem Niveau der Jahre vor der Pandemie.

Nicht nur Fliegen ist im Aufwind. Auch Bahnreisen sind beliebt. Aber die Förderung der Nachtzüge kommt nur schleppend voran.

Viele Schweizerinnen und Schweizer wollen und können sich diese Preise leisten. Deutlich macht dies nicht zuletzt der Trend zu mehr Individualreisen, wie ihn das Reiseunternehmen Hotelplan feststellt. Kundinnen und Kunden suchten das Spezielle, sowohl bei Badeferien wie bei Städtereisen, auch Pauschalreisen würden zunehmend an die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kundschaft angepasst, sagt Mediensprecherin Muriel Wolf. Das gilt aber nur bedingt für Familien; ihr Ferienbudget geriet 2024 wegen steigender Preise für Unterkünfte und für Aktivitäten unter Druck. Familien entschieden sich darum häufig für Angebote mit einer fixen Budget-Obergrenze oder für Destinationen, die die Preise nach der Pandemie nicht erhöht haben: Für Tunesien beispielsweise verzeichnete Hotelplan Suisse ein «Buchungsplus im zweistelligen Bereich».

Das Zugspersonal serviert das Frühstück im Nachtzug. Foto Keystone

Der Zug als Alternative: beliebt und bedrängt

Nicht nur Fliegen ist im Aufwind. Auch Bahnreisen sind beliebt. Das Niveau des Rekordjahrs 2019 wurde im letzten Jahr wieder erreicht. Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) transportierten 1,32 Millionen Reisende – pro Tag. Gar einen neuen Rekord gab es bei Bahnreisen über die Landesgrenzen hinaus: 12,3 Millionen Menschen waren im Jahr 2023 international mit der Bahn unterwegs (2022: 10,7 Millionen). 600 000 Personen reisten in Nachtzügen. Die SBB kommen gemeinsam mit ihren europäischen Partnern kaum nach, das Angebot der grossen Nachfrage anzupassen. Nun werden sie ausgerechnet vom Schweizer Verkehrsminister gebremst: Bundesrat Abert Rösti (SVP) blockierte die 30 Millionen Franken, mit denen ab 2025 notabene Nachtzüge subventioniert worden wären. Die Massnahme ist Teil des vom Bundesrat geplanten grossen Sparpakets zur Sanierung des Haushalts (siehe auch «Revue» Oktober 2024). Linke, grüne und Mitte-Bundesparlamentarier reagierten scharf auf diese «Schwächung des Schienenverkehrs als nachhaltige Alternative», ein Vorstoss stellt die Rechtmässigkeit des Entscheids in Frage. Schliesslich hat das Parlament das neue CO₂-Gesetz, in dem der Förderbeitrag für Nachtzüge enthalten ist, beschlossen. Es tritt im Januar in Kraft und regelt die Klimapolitik bis 2030. Bleibt es bei Röstis Entscheid, bleiben auch die neuen geplanten Nachtzugverbindungen von der Schweiz nach Rom und Barcelona vorerst Wunschdenken.

Die Schweiz als Destination

Auch die Schweiz ist ein beliebtes Reiseziel. Bei fast 42 Millionen Hotellogiernächten im Jahr 2023 spricht die Branchenorganisation «Schweiz Tourismus» von einem «Allzeithoch» und stellt erleichtert fest, dass sich der Schweizer Tourismus von der Corona-Pandemie erholt habe.

Ein Blick auf die Herkunftsländer zeigt, dass neben Südostasien vor allem die Gäste aus den USA zu diesem Rekord beigetragen haben. Sie verbrachten über drei Millionen Hotelnächte in der Schweiz, das sind 33 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Auch Reisende aus England waren wieder zahlreich da (+ 23,6 Prozent). Aus den Golfstaaten steigen die Besucherzahlen seit Jahren stetig. Erneut kräftig angezogen haben auch die Reisen aus China; von 2022 auf 2023 um über 300 Prozent.

Mit den steigenden Gästezahlen flammen in der Schweiz die Diskussionen um «Overtourism» wieder auf. Eine von Schweiz Tourismus und der Konferenz der regionalen Tourismusdirektoren der Schweiz im Sommer 2024 veröffentlichte Studie macht deutlich, dass notabene in den Tourismuszentren die problematischen Seiten des (Massen-)Tourismus wahrgenommen werden: Littering, Natur- und Umweltschäden, Wohnraumknappheit, Verkehrsbehinderungen und eine gewisse Respektlosigkeit von Touristinnen und Touristen werden genannt. Doch internationale Tour Operators warnen laut Schweiz Tourismus bereits vor einer Abkühlung. Offenbar geht den Gästen aus den USA das Geld für Überseeferien, das sie während der Pandemie ansparen konnten, allmählich aus.

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