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Die Schweiz – eine echte Seefahrernation

02.10.2014 – Stéphane Herzog

Mit den Erfolgen bei Hochseeregatten und beim America’s Cup haben die Schweizer einen festen Platz in der Weltspitze des Segelsports erobert. Die Liebe zum Meer ist in diesem Land stark ausgeprägt – auch dank der Kombination aus grossen Seen, Technik und Geld.

Pierre Fehlmann, Stève Ravussin, Bernard Stamm, Dominique Wavre, Ernesto Bertarelli. Kennen Sie diese Namen? Hoffentlich! Sie alle sind Schweizer Segler, die auf höchstem Niveau erfolgreich waren: die vier Erstgenannten bei Hochseeregatten, Bertarelli im taktischen Regattasegeln. Er gewann mit dem Team Alinghi zweimal den renommierten America's Cup. Dann da ist unter den bekannten Namen auch noch die Gräfin Hélène Pourtalès, amerikanisch-schweizerische Skipperin und Doppel-Goldmedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen 1900 in Paris, und nicht zu vergessen Louis Noverraz, ehemaliger Navigator aus der Romandie, der jahrzehntelang die Schweizer Fahne in der Welt hochhielt (siehe Kasten). «Wir sind ein Alpenland mit berühmten Seglern», sagt This Oberhänsli, Kurator einer Ausstellung über die Schweiz als Segelnation, die bis Mitte Oktober im Verkehrshaus in Luzern zu sehen ist. Ein Höhepunkt für das Publikum ist die Besichtigung der SUI-100, der Siegerjacht des America's Cup 2007. Doch im Museum steht auch ein Modell der Mérit, die dem Vater des Hochseeregatta-Segelns in der Schweiz gehörte: dem bereits erwähnten Pierre Fehlmann.
Zehn Beteiligungen an Weltumsegelungen, von denen acht abgeschlossen wurden, sind laut Dominique Wavre «ein erstaunlicher sportlicher Erfolg» für die Schweiz. «Insbesondere auf dem Gebiet der Offshore-Regatten gibt es seit bald 30 Jahren viele Segler aus der Romandie, die der Tradition ihres französischen Vorbilds Eric Tabarly folgen», sagt er. Diese Welle, die auch Dominique Wavre erfasst hat (der hinter der Gründung des Regattatrainingszentrums in Genf steht), habe auch die Jugend zum Träumen gebracht und sie mitgerissen. Diese Feststellungen lassen vermuten, dass man vom Segelsport in der Schweiz noch viel hören wird. 

Der Kampf mit den Elementen

Hochseeregatten wie die Vendée Globe oder der Solitaire du Figaro üben grosse Faszination auf die Öffentlichkeit aus. «Es ist eine naturnahe Ausdauersportart», sagt Dominique Wavre, «ein ewiger Kampf mit den Elementen und dem Wetter, den wir mal vor Südafrika, mal vor Australien führen, während in der Schweiz Winter herrscht.» Und es sei auch eine Gelegenheit, auf die Umwelt aufmerksam zu machen. «Das funktioniert, weil die Schweizer nicht nur Outdoor-Aktivitäten wie Wandern oder Skifahren lieben, sondern auch den Wettbewerb.»  
Und in der Tat begnügen sich die Schweizer nicht damit, die Vendée Globe im Internet zu verfolgen. «Sie lieben die Mittelmeerüberfahrt, es gibt keine einzige Bucht ohne Boote vom Cruising Club der Schweiz», erzählt der Genfer Segler. Er konnte bei Problemen oder Schäden immer auf die Hilfe seiner Landsleute und der Schweizer Konsulate zählen. Das beste Beispiel sei aber der Bol d'Or auf dem Genfer See, an dem jedes Jahr zwischen 500 und 700 Boote teilnehmen. «Wenn man pro Boot fünf Personen Besatzung rechnet, dazu die Familien, die vom Ufer aus zusehen, kommt man auf 50 Prozent der Bevölkerung der Romandie, die diese Regatta verfolgen», rechnet der Segler.

Der Genfer See ist der Mittelpunkt

Bernard Schopfer, Leiter einer Kommunikationsagentur mit Themenschwerpunkt Segeln und Autor mehrerer Bücher über die Navigation beim Segeln*, bringt den Erfolg und die Beliebtheit des Schweizer Segelsports mit drei Begriffen auf den Punkt: See, Technologie, Geld. «Die Schweizer haben international zum Höhenflug dieses Sports beigetragen – mit Schweizer Geld, mit in der Schweiz gebauten Schiffen und mit Schweizer Technologie», sagt er. Zentrum von all dem ist der Genfer See. «Seit dem 14. Jahrhundert oder noch länger existiert die Schifffaht auf diesem See – die ersten Rennen mit Transportschiffen fanden im 19. Jahrhundert statt», sagt der Schifffahrtsexperte. «Heute ist der Genfer See das nationale Zentrum des Segelrennsports in der Schweiz.» Der See sei zudem wunderschön und fast wie ein kleines Meer.
Er hat miterlebt, wie sich an den Ufern des Lac Léman Werkstätten und Werften angesiedelt haben. Bootsbauer wie Lüthi oder Amiguet haben im vergangenen Jahrhundert zuerst Holzboote gefertigt, heute bauen Hersteller wie die Decision SA, die mit Carbon arbeiten, die Boote für den America's Cup und das Volvo Ocean Race. «Das sind Segeljachten, die auf der ganzen Welt bewundert werden.»
Bernard Schopfer meint, die Schweizer fühlten eine Art Verbindung zwischen dem Meer und den Bergen. Viele Schweizer würden zum Beispiel nach Brest reisen, um sich die Parade der alten Grosssegler anzusehen. «Sie haben eine maritime Kultur wie die Bretonen», sagt er lachend.
Segelschiffe sind sehr teure Objekte, Segeln ist ein Sport für Gutbetuchte. Ans Runder kommen kann man allerdings auch ohne grosses Portemonnaie. «Viele Besitzer grosser Boote suchen ständig Besatzungsmitglieder, auch für Fahrten aufs Meer», sagt Schopfer. Zudem habe die soziale Durchmischung auf Schiffen eine lange Tradition: Seit 1900 hätten die Schiffseigner immer wieder Matrosen aus Eaux-Vives und Pâquis an Bord genommen, die kaum je Aufnahme in den Nautic Clubs erhalten hätten. «Aber sobald man auf dem Schiff ist, herrschte Gleichberechtigung», sagt der Autor des 2012 veröffentlichten Buchs «La légende du Léman». 

80 Tage ohne richtigen Schlaf

Die Zukunft des Schweizer Segelsports sieht vielversprechend aus, auch wenn die grössten Erfolge bei Olympischen Spielen und in Hochseeregatten schon etwas zurückliegen. Bernard Schopfer verweist auf die Leistungen der beiden Seglerinnen Justine und Elodie-Jane Mettraux, die beim nächsten Volvo Ocean Race im November 2014 als Teil des SCA-Teams mitsegeln werden. «Sie sind aus der Generation Alinghi hervorgegangen, da sind Massstäbe gesetzt worden», sagt Schopfer. Der ehemalige Journalist war für die Kommunikation dieses Kollektivs in Rot und Weiss zuständig. 
Und wie schafft man den Wechsel vom See aufs Meer, von der Sicherheit des nahen Ufers zur furchteinflössenden Weite des Ozeans? «Es ist schon hart», sagt Dominique Wavre. «Man bricht von einem Ort, wo man wegen der nahegelegenen Häfen sicherer ist, in eine Welt auf, in der die Ausdauer  entscheidend ist für fast alles. Beim Solitaire du Figaro zum Beispiel kommt man während der fast 80 Tage kaum richtig zum Schlafen. Aber wenn man Wettbewerbsgeist hat, will man sich auf internationalem Niveau messen, und das geht eben nur auf dem Meer.»

* «La légende du Léman: Bol d’Or Mirabaud», Bernard Schopfer, Slatkine, 2012.

Stéphane Herzog ist Redaktor der «Schweizer Revue»

Grosse Momente des Schweizer Segelsports

  • 2013: Justine Mettraux wird Zweite beim Mini-Transat und zeigt die Bestleistung der Frauen in der Geschichte des Wettbewerbs.
  • 2013: Dominique Wavre beendet seine dritte Vendée Globe auf dem siebten Platz. Er ist zehnmal zu Weltumsegelungen im Rennmodus gestartet – ein Rekord!
  • 2003: Das Schweizer Team Alinghi gewinnt den America's Cup in Auckland.
  • 2002–2003: Bernard Stamm gewinnt den Around Alone. Auf der ersten Etappe bricht er den Rekord für die Einhand-Atlantiküberquerung.
  • 1998: Stève Ravussin gewinnt die Route du Rhum in der Kategorie der kleinen Trimarane.
  • 1994: Laurent Bourgnon gewinnt die Route du Rhum im Einhandsegeln.
  • 1988: Laurent Bourgnon gewinnt den Solitaire du Figaro bei seinem ersten Anlauf in diesem Wettbewerb.
  • 1985–1986: Pierre Fehlmann gewinnt das Whitbread Round the World Race (heute Volvo Ocean Race) auf der UBS Switzerland.
  • 1968: Louis Noverraz erringt bei den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko mit seinen Teamkollegen Bernhard Dunand und Marcel Stern die Silbermedaille in der 5,5-Meter-Klasse.
  • 1900: Hélène, Hermann und Bernard de Pourtalès holen bei den Olympischen Spielen in Paris auf der Lerina die Goldmedaille in der 1–2-Tonnen-Klasse.

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Kommentare :

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    Nydegger Dettwiler Mireille 15.11.2014 um 02:31
    N'oubliez pas Ella Maillard : écrivaine et navigatrice émérite !
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    Edith Lachat-Culango 01.11.2014 um 02:30
    For a land lock country, it is truly amazing that you produce a high class sailors. Winning Americas Cup was definitely the authority for worldwide recognition of Switzerland's capacity to sailing. Well done.
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    Luc Saugy, 34500 BEZIERS (F) 22.10.2014 um 17:18
    Dans votre article sur le pays de marins qu'est la Suisse, vous auriez peut-être pu faire allusion au fait que la Suisse possède (possèdait?) aussi une marine marchande de haute mer: créée pour assurer le ravitaillement de la Suisse pendant la guerre 1939-45, utilisant le port de Gênes et basée à Bâle, elle assura parfaitement sa mission et subsista après 1945. En 1974, j'ai encore photographié le cargo "Zinal" (?), dans le port de Lagos, comme en témoigne une photo de mon site de photos anciennes. J'y ai même été invité avec le consul de Suisse à y dîner un soir. Je crois savoir que cette flotte de commerce existait toujours il y a au moins 10 ans.
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      stéphane herzog 09.12.2014 um 00:19
      Effectivement!Mais le papier s'est concentré sur la voile. Cordialement
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    Jim O. Mettler 20.10.2014 um 09:07
    Auch findacrew.net, das Weltweit grösste online Crew Netzwerk, ist auch von einem Schweizer gegründet und geführt, mit Hauptsitz in Australien.
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  • user
    Bernard Burger 18.10.2014 um 21:01
    Ich kann mich meinem Vorredner nur anschliessen. Ich bin ebenfalls Schweizer, lebe jedoch seit 15 Jahren in Neuseeland - der Seglernation schlechthin! Die einst interessanten und sportlichen America-Cups sind laengst zur Farce verkommen, wo nur noch jener mit dem meisten Geld gewinnen kann. Mit Sport hat all dies nichts mehr zu tun, was im uebrigen auch fuer andere (Spitzen)Sportarten gilt. Schade....
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    Wave Dancer 16.10.2014 um 17:31
    Nun - ich bin Schweizer und fahre zur See mit so wenig Technik und so wenig Geld wie möglich. Anstatt mit den Elementen zu "kämpfen", was völlig sinnlos ist, lebe ich so weit es geht im Einklang mit diesen. Zur See fahren kann man aus vielen Gründen, sportlichen, kommerziellen, als Selbstbestätigung, Ehrgeiz und (am besten) aus Liebe zur Natur und des Entdeckens. Es gibt einige Schweizer die so leben, ohne darüber zu schreiben, einfach nur so.....
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