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Gegenwärtig bewertet die Schweiz die Situation der vorläufig aufgenommenen Flüchtlinge aus Eritrea neu. Es finden zwar keine zwangsweisen Rückführungen statt, doch die Diaspora fürchtet, erneut in die Ungewissheit zu stürzen.
Die eritreische Diaspora ist die grösste in der Schweiz lebende Flüchtlingsgruppe und steht unter Druck. 23 000 Männer und Frauen aus Eritrea leben hier mit anerkanntem Flüchtlingsstatus. 9500 wurden vorläufig aufgenommen, haben also einen sogenannten «Ausweis F», und 3000 warten auf einen Entscheid: Die Wegweisung dieser Gruppe ohne anerkannten Flüchtlingsstatus wurde zwar als unzumutbar eingestuft, und dennoch findet seit diesem Sommer eine Neuüberprüfung der Dossiers statt. Diese Nachricht des Staatssekretariats für Migration (SEM) erreichte Inhaberinnen und Inhaber mit Ausweis F per Brief: «Wir beabsichtigen, Ihre vorläufige Aufnahme aufzuheben, was Ihre Wegweisung aus der Schweiz zur Folge hätte.»
Das Schreiben, das zunächst an rund 200 Personen ging, versetzte die eritreische Diaspora in Aufruhr. «Die Leute, darunter auch solche mit geklärtem Rechtsstatus – also mit Ausweis B oder C –, befürchten eine Verschlechterung ihrer Situation», sagt Tzeggai Tesfaldet. Er ist ein politischer Gegner des eritreischen Regimes und zugleich Mitbegründer zweier Genfer Flüchtlingsorganisationen. «Aus Angst haben einige Jugendliche aufgehört, zur Schule zu gehen», berichtet Aldo Brina, der Asyl-Informationsbeauftragte vom Centre Social Protestant in Genf (CSP).
Legten die betroffenen Personen keine Beschwerde ein, erhielten sie statt Sozialhilfe nur noch Nothilfe von zehn Franken pro Tag und müssten ihre Unterkünfte verlassen, sagt Brina: «Diese Personen finden sich dann in den heruntergekommensten Wohnräumen wieder. Dies ebnet den direkten Weg zur sozialen Desintegration.» Und: Sie hätten keinen Zugang zum Arbeitsmarkt mehr.
Für Brina, einen Fachmann in Asylfragen, zielt diese Politik vor allem darauf ab, neu in Europa eintreffende Flüchtlinge aus Eritrea in andere Länder umzulenken. «Einmal in der Schweiz, verlassen die Leute das Land nicht mehr. Sie geraten in prekäre Verhältnisse oder verschwinden im Untergrund», analysiert er.
Der zunehmend grösser werdende Kreis der Empfängerinnen und Empfänger des Schreibens ist aufgefordert, sich beim SEM zu melden. Doch das CSP berichtet von Rückstanden bei den Überprüfungen. «In einem Pilotprojekt erwies sich die Aufhebung der vorläufigen Aufnahme letztendlich in neun Prozent der Fälle als rechtlich angemessen und vertretbar», sagt Emmanuelle Jaquet von Sury, Sprecherin des SEM. Bisher hat es um die zwanzig Aufhebungen gegeben. Mehrere Beschwerdeverfahren sind beim Bundesverwaltungsgericht hängig. Nach Einschätzung des SEM gilt aber: Wer den Ausweis F verliere, könne «freiwillig und ohne Gefahr für die eigene Integrität ins Heimatland zurückkehren».
Der Kurswechsel gegenüber den Eritreern wurde in mehreren juristischen Schritten vollzogen. Im Juli beispielsweise beurteilte das Bundesverwaltungsgericht den seit dem Krieg mit Äthiopien (1998–2000) verpflichtenden nationalen Wehrdienst Eritreas neu. Das Gericht ist heute «überzeugt, dass Misshandlungen im Verlauf des Wehrdienstes geschehen (…), doch ist nicht erwiesen, dass diese so verbreitet stattfinden, dass jede Wehrdienst leistende Person dem ernsthaften Risiko einer Misshandlung ausgesetzt ist».
Auch das Vergewaltigungsrisiko für weibliche Zwangsrekrutierte wird nicht als ausreichendes Kriterium eingestuft. «Die Quellen erlauben keinen Rückschluss darauf, dass jede Frau, die den Grundwehrdienst absolviert, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Risiko eines solchen Übergriffs ausgesetzt ist», erläutert das Gericht. Ganz allgemein führe die Rekrutierung auf unbestimmte Zeit nicht in hinreichend deutlicher Weise zu einer Zwangsarbeit, wie sie das internationale Recht verurteile.
Im Jahr 2006 hatte die Schweiz entschieden, Deserteure aufzunehmen, die vor der Zwangsrekrutierung unter eritreischer Flagge fliehen. Das liess die Bewilligungsquote der eritreischen Asylsuchenden von 6 auf 82 Prozent ansteigen. Diese Phase ist vorbei. «Eritreer machen in der Schweiz den grössten Anteil der Asylsuchenden aus, daher liegt enormer politischer Druck auf einer Senkung der Zahlen», vermutet Peter Meier, Sprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe: «Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement gibt dem zunehmend nach.»
«Der politische Kurs hängt nicht damit zusammen, dass die Flüchtlinge aus diesem bestimmten Land kommen; und auch nicht mit besonderen, von dieser Bevölkerungsgruppe ausgehenden Problemen, denn solche gibt es nicht. Der Grund ist einzig die Grösse der Gruppe»: So beurteilt Tzeggai Tesfaldet die Lage. Der Sozialarbeiter vermutet, «dass die Abschreckung Früchte trägt, denn die Zahl der ankommenden Flüchtlinge geht zurück, obgleich natürlich die Schliessung der Mittelmeerroute eine wichtige Rolle spielt». Ausserdem würden neue Asylanträge vor dem Hintergrund der neuen Politik beurteilt. Das verringere die Chance, Schutz zu erhalten.
Zwei in den Medien debattierte Argumente haben womöglich das Bild der in der Schweiz befindlichen eritreischen Flüchtlinge beeinträchtigt. Zum einen ist von Integrationsschwierigkeiten die Rede. Das SEM nennt Gründe dafür: «Viele Eritreer haben nur eine mittelmässige Bildung genossen (…), der Grossteil kennt unsere Schrift nicht und muss daher neu Lesen und Schreiben lernen.» Einer Studie des SEM zufolge müssen Schüler in Eritrea zudem seit dem Jahr 2002 den Sekundarunterricht in einer Militärschule durchlaufen. Nur wenige erhalten später die Erlaubnis, eine der Hochschulen des Landes zu besuchen. Die anderen werden in den Wehrdienst gezwungen.
Das zweite vorgebrachte Argument: Einige Flüchtlinge seien in ihre Heimat zurückgekehrt, um dort Urlaub zu verbringen. «Im Jahr 2017 hat das SEM vier eritreischen Staatsbürgern den Flüchtlingsstatus aberkannt, die sich auf den Weg nach Eritrea gemacht hatten. Im ersten Halbjahr 2018 waren neun Personen betroffen», sagt Emmanuelle Jaquet von Sury.
Nach einem Bericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen vom Mai 2015 hatten die vertriebenen Eritreer offenbar die Möglichkeit erhalten, das Land zu bereisen, um ihre Familien zu besuchen. Um dies zu tun oder um ein offizielles Dokument zu erhalten, müssen sie eine Pflichtabgabe von zwei Prozent ihres Einkommens entrichten. Diese Abgabe erhebt der eritreische Staat für alle Mitglieder der Diaspora. «Ich zahle diese Abgabe nicht, denn es gibt keinerlei Transparenz über ihre Verwendung, und sie knebelt die Rechte der Flüchtlinge», sagt Tzeggai Tesfaldet.
Die Wahrnehmung des autoritären Regimes in Asmara wurde eventuell durch eine Reise von vier schweizerischen Parlamentariern im Februar 2016 beeinflusst. In einem Kommentar vor Ort gegenüber dem Sender «Radio Télévision Suisse» sagt etwa CVP-Nationalrat Claude Béglé: «Eritrea öffnet sich.» Für Aldo Brina hat dieses mediale Vorgehen dazu beigetragen, die öffentliche Wahrnehmung zu verändern, obwohl sich die Situation vor Ort im Grunde nicht verbessert habe.
Laufen eritreische Wehrdienstverweigerer Gefahr, misshandelt zu werden? «Da die Menschenrechtsbeobachter sich nicht nach Eritrea begeben können und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz keine Besuchserlaubnis in den Gefängnissen erhält, ist es unmöglich, dies zu überprüfen», kommentiert das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen die Lage. Und: Die schweizerische Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit habe sich verpflichtet gefühlt, «ihr mehrjähriges Engagement in Eritrea im Jahr 2006 angesichts der Schwierigkeiten zu beenden, die die Selbsthilfeorganisationen vor Ort hatten», fügt das SEM an.
Jeden Monat flüchten 5000 Männer und Frauen aus Eritrea, das unter der Regierung von Isaias Afeworki und seiner Einheitspartei steht. Es gab dort keinerlei Wahlen; die Verfassung trat niemals in Kraft. Die eritreische Gemeinschaft in der Schweiz wird auf rund 35 000 Personen geschätzt. Im Jahr 2015 wurden ungefähr ein Viertel der in Europa eingereichten Asylgesuche von Eritreern in der Schweiz gestellt. Die eritreische Diaspora besteht aus nahezu einer halben Million Menschen, gerechnet auf ein Land mit lediglich 5 Millionen Einwohnern.
Bild: Justizministerin Simonetta Sommaruga umringt von Asylsuchenden: Besonders auf die aus Eritrea Geflüchteten macht Bundesbern vermehrt Druck. Foto: Keystone
Kommentare
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sont tous d'accord. La naivete de nos responsables est
effrayante. Ils doivent se poser la question de combien
de logements il faudra construire, vu que l'ONU prevoit
que l'Afrique aura une population de 5 milliards d'ici
la fin du siècle. Il vaudrait mieux leur apprendre le
planning familial en Afrique, souhaitable pour tout le monde.
Qu'est-ce qu'il avait dit Max Frisch ?
Bien cordialement,
Fakt ist: Afrika exportiert ihren unvernünftigen Geburtenüberschuss (Verdopplung der Bevölkerung alle 25 Jahre) nach Europa. Das wird nicht mehr lange gut gehen!
Es handelt sich erwiesenermassen grossmehrheitlich um Wirtschaftsmigranten und/oder Drückeberger vor dem Militärdienst.