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Mit einem monetären Zückerchen kämpft Albinen gegen die Abwanderung. Das sorgte weltweit für einen Hype, der die Gemeinde völlig überrumpelte. Ein Besuch im bedrängten Walliser Bergdorf.
Endlich kann er Frust ablassen: «Ihr spinnt doch alle», tadelt Beat Jost die aufmarschierten Journalisten. Der Albiner Gemeindepräsident zupft sich am Schnauz, murmelt etwas von einer «absurden Geschichte» und stampft davon. Was bringt den Mann, den Einwohner als zupackend und charismatisch charakterisieren, so auf die Palme? Es ist die geplante Wohnbauförderung in seinem Dorf, die überraschend einen weltweiten Hype ausgelöst hat. Kurz vor der Gemeindeversammlung fürchtet der oberste Albiner, seine Bürger könnten ihm in dieser Angelegenheit die Gefolgschaft verweigern – aus Angst, von Fremden überrollt zu werden. Die Gegner hätten sich keine bessere Kampagne ausdenken können, schimpft er, und unterschlägt zugleich, dass der Gemeinde ein erstklassiger PR-Coup gelungen ist.
Doch der Reihe nach. Albinen, 1300 Meter über Meer gelegen, Prototyp eines Walliser Dorfs, punktet mit Ruhe und einer tollen Aussicht. Doch die Idylle trügt. Während die Zentren in der Schweiz über vollgestopfte Züge klagen, kämpfen Randgebiete wie Albinen verzweifelt gegen die Abwanderung. Um die Jungen im Dorf zu halten oder neue Familien anzulocken, lancierte die Gemeinde deshalb eine unkonventionelle Idee: ein Schmerzensgeld von 70 000 Franken für eine vierköpfige Familie, die länger im Dorf wohnt. Das Geld ist an strenge Auflagen gebunden: zehn Jahre Aufenthalt, ein Investment von mindestens 200 000 Franken in eine Unterkunft, Ausländer benötigen mindestens die Niederlassungsbewilligung C.
Es kam, wie es im Zeitalter des Onlinejournalismus kommen musste: Nachdem im vergangenen Sommer einzelne Medien sachlich über die Initiative berichteten, bot das Thema der Plattform 20 Minuten Wochen später Stoff für eine (zu) schöne Weihnachtsgeschichte: «Würden Sie für 70 000 Franken hierhin ziehen?», titelte das Blatt. Die strengen Auflagen der Gemeinde vermerkten die Autoren nur am Rande. In der Folge verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer rund um den Globus. Plattformen aus aller Welt nahmen die Meldung auf. Den Anfang machten die britischen Boulevardzeitungen, dann folgten Medien aus Russland, Indien und China. Sie überboten sich mit Schlagzeilen wie: «Dieses Schweizer Dorf schenkt dir 70 000 Franken, wenn du dorthin ziehst. Pack deine Sachen!»
Das Echo kam postwendend: Tausende Anfragen prasselten auf die Verantwortlichen nieder. Diese nahmen es anfangs noch mit Humor. Doch das Lachen verging ihnen spätestens dann, als Italiener mit vollgepackten Koffern im Dorfladen auftauchten und sich nach dem Geld erkundigten. Jost, dem ehemaligen Gewerkschafter und Journalisten, wuchs die Sache über den Kopf. Er tauchte ab und wollte gar die Journalisten von der entscheidenden Versammlung aussperren. Mit dem Verweis auf das Öffentlichkeitsprinzip pfiff ihn der Kanton aber zurück. So kam es Anfang Dezember zum Showdown im Feuerwehrdepot.
Die Albiner folgten ihrem Präsidenten und sagten deutlich Ja zum Vorschlag, der im Vorfeld für so viel Furore gesorgt hatte. Die Jungen frohlockten, Jost strich sich übers Haar und trat auf einmal bereitwillig vor die Kameras. Er war mit sich, den Journalisten und der Welt wieder im Reinen.
Doch die jungen Dorfbewohner stehen weiterhin am Scheideweg. Bleiben oder gehen? Dorthin, wo es Arbeit hat, Schulen und Supermärkte? Drei junge Familien sind vor Kurzem weggezogen. Zurück bleiben die Alten. Im nächsten Jahr bezieht schon die Hälfte der 240 Seelen im Dorf eine Rente. «Wir liegen auf dem Sterbebett», warnt Jost. Mit der Wohnbauförderung erhofft er sich immerhin eine Frischzellenkur von fünf bis zehn neuen Familien. Im besten Fall würde das heissen, dass die Schule wieder aufgeht.
Bild Die Idylle trügt: Wie viele Schweizer Gemeinden in Randgebieten leidet auch das Walliser Dorf Albinen unter der Abwanderung seiner Einwohner.
Kommentare
Kommentare :
On ne peut pas faire d'omelette sans casser des oeufs. .malheureusement. Le cas de l'exode rurale est la menace pour toute la periferie avec l'explosion industrielle. Mais l'école reste le bastion incontournable au renouvellement du tissu social d'un village.
rar
That article is aimed at YOUNG families, not senior citizens (they already have enough of those!)