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Die wohl folgenschwerste Volksabstimmung der letzten zwei Jahrzehnte hält die Schweizer Politik derzeit auf Trab: Das Ja zur sogenannten Masseneinwanderungs-Initiative stellt innenpolitisch den bisher funktionierenden europapolitischen Minimalkonsens in Frage. Und bereits wirft eine noch radikalere Einwanderungsinitiative ihre Schatten voraus.
«Der Bär kann nicht gewaschen werden, ohne dass das Fell nass wird.» SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz zitierte im März 2014 diese alte Volksweisheit, als der Nationalrat über die Umsetzung der sogenannten Masseneinwanderungs-Initiative debattierte. Amstutz brachte damit die aktuelle Lage treffend auf den Punkt – und er räumt damit indirekt ein, dass die Schweiz seit der Annahme der neuen Verfassungsbestimmung am 9. Februar vor enormen innen- und europapolitischen Schwierigkeiten steht. Denn unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der künftigen schweizerischen Einwanderungspolitik, steht nicht weniger als das Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union als Ganzes auf dem Prüfstand.
Der bis anhin bestehende Minimalkonsens zwischen praktisch allen politischen Kräften im Land über den bilateralen Weg bröckelt. Seit dem Nein des Volkes zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) 1992 galt der bilaterale Weg als Königsweg der helvetischen Europapolitik. Auch die Schweizerische Volkspartei (SVP), die traditionsgemäss jede weitere Annäherung der Schweiz an die EU mit grösster Skepsis beobachtete, hat diese Politik grundsätzlich bejaht. Selbst im Abstimmungskampf zur Masseneinwanderungs-Initiative hat sie die bilateralen Verträge nicht prinzipiell in Frage gestellt – und offiziell ist sie immer noch dieser Ansicht. SVP-Generalsekretär Martin Baltisser sagt: «Wir müssen die Beziehungen mit der EU bilateral regeln, es kommt jedoch auf die konkreten Inhalte der Verträge an.»
Doch es ist offensichtlich, dass der bilaterale Weg für die SVP keine hohe Priorität mehr hat. Die politische Rechte will die Gunst der Stunde nutzen und den europapolitischen Kurs nach ihrem Gusto bestimmen. Sie ist dabei durchaus bereit, weiteren Schaden im Verhältnis zur EU in Kauf zu nehmen. SVP-Fraktionschef Amstutz liess in der Nationalratsdebatte vom März darüber keinen Zweifel offen: «Wenn ich auswählen kann zwischen der Weiterführung einer masslosen Zuwanderung, die dieses Land zerstört, und den bilateralen Verträgen, wähle ich den Schutz des Landes, Punkt.»
Gemäss Vox-Analyse, dies ist die wissenschaftliche Nachbefragung zur Abstimmung, waren sich die Befürworterinnen und Befürworter der SVP-Initiative mehrheitlich sehr wohl bewusst, dass die Annahme des Volksbegehrens die bilateralen Verträge gefährden könnte. Die Ja-Stimmenden haben also die selbstständige Steuerung der Einwanderung höher gewichtet als das geordnete Verhältnis zur EU. Das deutet darauf hin, dass der in allen bisherigen Abstimmungen gestützte bilaterale Weg auch im Volk nicht mehr unbestritten ist.
Zum Frontalangriff bläst die «Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz» (Auns). Sie will die bilateralen Verträge aufheben und die Beziehungen zur EU nur noch über Freihandelsabkommen regeln: «Die beiden Pakete ‹Bilaterale 1› und ‹Bilaterale 2› müssen durch ein verbessertes Freihandelsabkommen ersetzt werden. Wir wollen keine weiteren bilateralen Verträge, die nicht im Interesse unseres Landes sind. Und wir müssen die schädlichen Dossiers der Bilateralen 1 und 2 – im Klartext insbesondere die Personenfreizügigkeit und Schengen/Dublin – kündigen, denn sie sind ‹EU-Beitrittsbeschleuniger› – oder gar ‹Brandbeschleuniger› — und schaden nicht nur der direkten Demokratie, sondern auch unserer Volkswirtschaft.» Das schreibt Auns-Präsident und SVP-Nationalrat Pirmin Schwander auf der Homepage seiner Organisation. Auns-Geschäftsführer Werner Gartenmann (SVP) bestätigte, dass seine Organisation an der Lancierung einer Volksinitiative für ein reines Freihandelsabkommen arbeite; derzeit feile man am genauen Wortlaut. Für Gartenmann ist klar, dass nach dem 9. Februar eine EU-Grundsatzdebatte definitiv lanciert ist. Das sehen auch die Parteien auf der anderen Seite des politischen Spektrums so, die SP und die Grünen. Beide bekennen sich deutlicher als auch schon zur weiteren Annäherung an die EU oder schlies-sen einen EU-Beitritt nicht mehr aus.
Die Sozialdemokraten haben bereits 2010 in ihr Parteiprogramm geschrieben, sie wünschten «die rasche Einleitung von Beitrittsverhandlungen mit der EU». Nur: So richtig offensiv verfolgt haben sie dieses Ziel nie, nicht zuletzt mit Rücksicht auf die skeptische Stimmung in der Bevölkerung. SP-Fraktionschef Andy Tschümperlin formuliert den Standpunkt der Parteileitung so: Oberstes Ziel müsse sein, die Masseneinwanderungs-Initiative so umzusetzen, dass die bestehenden bilateralen Verträge sowie deren Weiterentwicklung nicht in Frage gestellt würden. Gelinge das nicht, «muss das Volk über die Zukunft der Beziehungen zu Europa abstimmen können». Die SP verlange, «dass alle europapolitischen Optionen geprüft werden». Der Bundesrat müsse in einer vergleichenden Analyse «die möglichen Auswirkungen eines EU-Beitritts und der Fortsetzung des Bilateralismus mit oder ohne neue institutionelle Lösung» aufzeigen, fordert Tschümperlin.
Die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Regierungsparteien haben sich also massiv verstärkt: Die SVP geht noch deutlicher auf Distanz zur EU als bisher, die SP schliesst auch den EU-Beitritt nicht mehr aus – und die meisten übrigen Parteien versuchen, die arg zerzauste Fahne des Bilateralismus hochzuhalten. Für die Regierung ist das eine höchst ungemütliche Ausgangslage. Der neue Verfassungstext verpflichtet Bundesrat und Parlament, innert dreier Jahre für alle Ausländerinnen und Ausländer ein neues Zulassungssystem einzuführen, das die Zuwanderung durch Höchstzahlen und Kontingente begrenzt.
Die Frage lautet: Wie, wenn überhaupt, kann dies mit dem Abkommen mit der EU über die Personenfreizügigkeit in Einklang gebracht werden? Bis Ende Juni dieses Jahres will der Bundesrat ein Umsetzungskonzept vorlegen, bis Ende Jahr sollen die Vorschläge in Gesetzesartikel gegossen werden, die dann in die Vernehmlassung gehen. Die Kunst wird darin bestehen, Kontingente einzuführen, ohne gleichzeitig das Prinzip der Personenfreizügigkeit zu verletzen. Parallel zum innenpolitischen Prozess finden Gespräche mit der Europäischen Union statt.
Doch nicht allein die Umsetzung der Initiative bringt die politischen Akteure in arge Bedrängnis. Die SVP hat schon mit einer sogenannten Durchsetzungsintiative gedroht, falls das angenommene Volksbegehren nicht in ihrem Sinn umgesetzt wird. Und bereits rollt eine andere Initiative auf das Stimmvolk zu, die sogenannte Ecopop-Initiative mit dem Titel «Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen». Voraussichtlich wird schon im November 2014 darüber abgestimmt.
Konkret soll laut Initiative «die ständige Wohnbevölkerung infolge Zuwanderung im dreijährigen Durchschnitt nicht um mehr als 0,2 Prozent pro Jahr wachsen». Das entspräche derzeit einer Nettozuwanderung von lediglich noch 16 000 Personen, statt der heutigen rund 80 000. Die Initiative hält in den Übergangsbestimmungen unmissverständlich fest, dass völkerrechtliche Verträge, die diesen Zielen widersprechen, entweder angepasst oder gekündigt werden müssen. Mit anderen Worten: Das Ecopop-Volksbegehren ist deutlich radikaler als die angenommene SVP-Initiative. Sie schreibt konkrete Zahlen in die Verfassung und lässt noch weniger Spielraum für Verhandlungen mit der EU. Für die Personenfreizügigkeit gäbe es nicht mehr den Hauch einer Chance.
Ecopop, das Wort setzt sich zusammen aus ECOlogie et POPulation, ist eine schillernde Vereinigung und spricht ganz unterschiedliche Kreise an, Wachstumskritiker ebenso wie fremdenfeindliche Kreise. Ecopop selbst versteht sich als politisch unabhängige Umweltorganisation mit dem Blick auf Bevölkerungsfragen. Auf ihrer Homepage steht: «Unser Anliegen ist es, die natürlichen Lebensgrundlagen und die Lebensqualität in der Schweiz und weltweit für kommende Generationen zu erhalten. Ecopop engagiert sich seit mehr als 40 Jahren gegen die Überlastung der Natur durch immer mehr Menschen.» Eine klare politische Zuordnung der Organisation ist nicht möglich. Sie wurde zwar zur Zeit der Überfremdungsinitiativen von James Schwarzenbach ins Leben gerufen, doch die Initiativen seiner Nationalen Aktion (NA) in den Siebziger- und Achtzigerjahren lehnte Ecopop ab. In den Anfängen war NA-Präsident Valentin Oehen bei Ecopop ebenso aktiv wie die Berner SP-Grossrätin und Frauenrechtlerin Anne-Marie Rey.
Es ist der Vereinigung von heute offenbar sehr wohl bewusst, dass die Stossrichtung ihres Programms auch für Kreise attraktiv ist, mit denen man lieber nichts zu tun haben möchte. Wohl deshalb steht auf der Homepage: «Ecopop distanziert sich von allen menschen- oder fremdenfeindlichen Positionen und möchte dazu beitragen, dass alle Menschen unabhängig von ihrer Nationalität ein würdiges Leben führen können.»
Doch in der Praxis funktioniert diese saubere Abgrenzung nach ganz rechts nicht. In der «Schweizerzeit», der Hauspostille des früheren SVP-Rechtsaussen-Nationalrats Ulrich Schlüer, konnte Ecopop im redaktionellen Teil einen Aufruf zur Unterstützung ihrer Initiative platzieren. Während der Unterschriftensammlung durften die Initianten auch auf die rechtslastige Auns zählen: Diese verteilte Unterschriftenbogen unter ihre Mitglieder. Offizielle Unterstützung beim Sammeln der Unterschriften erhielt Ecopop zudem von den Schweizer Demokraten (SD), einer Rechtsaussenpartei und Nachfolgeorganisation der NA. Die Partei hatte 2011 eine eigene Überfremdungsinitiative lanciert. Da das Sammeln der Unterschriften nicht so gut lief, beschloss der SD-Zentralvorstand im Sommer 2012, das eigene Volksbegehren ruhen zu lassen und die «erfolgversprechendere» Ecopop-Initiative aktiv zu unterstützen.
Neu ist die Verbindung zwischen naturschützerischen Anliegen und Einwanderung nicht. Bereits in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es eine reaktionär-ökologische Ideologie. Balthasar Glättli, Zürcher Nationalrat der Grünen, recherchiert derzeit für ein Buch mit dem Arbeitstitel «Unheimliche Ökologen», und ist dabei auf «unheimliche Wurzeln» ge-stossen: nämlich auf Verbindungen zwischen Naturschützern, Bevölkerungspolitikern und Eugenikern, dies sind Vertreter einer Wissenschaft, bei der man davon ausgeht, dass sich die Menschen, deren Erbanlagen erwünscht sind oder als positiv bewertet werden, vermehren sollten, bei Menschen, deren Erbanlagen negativ eingestuft werden, sei die Vermehrung unerwünscht und zu verhindern.
In diesem Zusammenhang ist bei der Ecopop-Initiative vor allem der Passus über die Geburtenkontrolle in der Dritten Welt heikel. In einem zweiten, sozusagen entwicklungspolitischen Teil verlangt die Initiative nämlich, die Schweiz soll zehn Prozent der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit «in Massnahmen zur Förderung der freiwilligen Familienplanung» fliessen lassen. CVP-Ständerat Urs Schwaller nennt das eine «kolonialistische Sicht der Familienplanung in Entwicklungsländern». Auch entwicklungspolitische Organisationen kritisieren diese Forderung scharf. Aus ihrer Sicht ignoriert Ecopop die strukturellen Ursachen des Bevölkerungswachstums. Hohe Geburtenraten sind, das ist heute allgemein bekannt, primär armutsbedingt. Kinderreichtum wird als Garantie für die Existenzsicherung betrachtet. Deshalb muss, um die Grösse der Familien und das Bevölkerungswachstum zu senken, primär die Bildung von Mädchen und Frauen gefördert werden. Deutlich sagt Shalini Randeria, Professorin für Anthropologie und Entwicklungssoziologie in Genf, in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung», welche Haltung zu Forderungen wie jene von Ecopop führen: «Überzählig sind immer die anderen: die Armen, die Ausländer. (…) Es geht nie nur um die Zahlen, sondern stets um die Frage, wer sich vermehren darf und wer nicht.» Man könne die Bevölkerungsfrage nicht vom Ressourcenverbrauch trennen, sagt die Professorin, denn «die Einwohner der Stadt New York verbrauchen an einem Tag mehr Energie als der gesamte afrikanische Kontinent».
Einwanderung und Naturschutz war auch bei der Schwarzenbach-Initiative 1979 ein Thema. Angeprangert wurde schon damals die Zubetonierung der Schweiz. Die SVP, die die Einwanderung zu ihrem Top-Thema gemacht hatte, argumentierte zuerst vor allem mit Sozialmissbrauch und Kriminalität, entdeckte dann aber im Endspurt des Abstimmungskampfes die Ökologie und zeigte auf Plakaten zubetonierte Landschaften.
Herausgefordert sehen sich vor allem die Grünen, deren Führung sich dezidiert gegen die Ecopop-Initiative ausspricht und eine Hauptrolle im Abstimmungskampf übernehmen will. Wir hätten kein Problem mit den Köpfen, sondern ein Pro-Kopf-Problem, sagt Regula Rytz, Kopräsidentin der Grünen, immer wieder. Entscheidend sei der ökologische Fussabdruck, nicht die Anzahl Menschen. Allerdings ist noch nicht klar, wie die Basis der Grünen denkt. Bei Ecopop aktiv sind auch Vertreter der Grünen: Andreas Thommen, früherer Präsident im Aargau, sitzt im Vorstand und im Initiativkomitee.
Die Haltung der politischen Parteien ist klar: Bedeckt hält sich einzig die SVP, sonst lehnen alle die Initiative ab. Im Ständerat, der im März das Anliegen bachab schickte, übte sich die SVP in Stimmenthaltung. Das Volksbegehren habe tatsächlich problematische Seiten, sagt SVP-Generalsekretär Martin Baltisser, «es kommt ja auch aus der links-grünen Ecke». Aber wie sich die Parteibasis bei der Parolenfassung verhalte, könne er nicht voraussagen. Sicher ist, die Partei befindet sich in einem Dilemma: Für den Wirtschaftsflügel ist Ecopop viel zu radikal, bei der Basis dürfte sie aber, wie jede Forderung nach Einschränkung der Zuwanderung, auf Wohlwollen stossen.
In keinem Staat haben Bürgerinnen und Bürger mehr Mitbestimmungsrechte als in der Schweiz. Die direkte Demokratie ist ein Erfolgsmodell. Der Wandel bei Funktion und Bedeutung von Volksinitiative zeigt jedoch, dass das politische System der Schweiz heute schlechter funktioniert als früher.
Volksinitiativen sind in der Politik ein «Wachstumsmarkt», derzeit läuft das Geschäft besonders gut. Die Zahlen sprechen für sich: Seit der Einführung des Volksbegehrens 1891 wurden 423 Initiativen gestartet. Im Moment werden für neun Volksbegehren Unterschriften gesammelt, 20 liegen bei Bundesrat und Parlament auf dem Pult oder sind bereits abstimmungsreif. Seit 1891 schafften es 189 Vorlagen bis zur Volksabstimmung, aber nur 21 wurden vom Volk angenommen. Und nun folgen die interessantesten Zahlen: In den ersten 100 Jahren zwischen 1891 und 1990 fanden lediglich neun Initiativen eine Ja-Mehrheit, seit 1990 waren es 13.
Seit 25 Jahren haben Volksinitiativen also deutlich bessere Chancen auf des Volkes Zustimmung als früher. Eine eindeutige und unbestrittene Erklärung dafür gibt es nicht. Silja Häusermann, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Zürich, weist darauf hin, dass Volksinitiativen bis zu Beginn der Neunzigerjahre zur Hauptsache ein Instrument der Linken gewesen seien, um sich als Minderheit gegenüber dem damals noch mehr oder weniger geschlossenen Bürgerblock in Stellung zu bringen. Für Mehrheiten reichte es meist nicht, aber man konnte auf diesem Weg neue Ideen in die Politik einbringen. In vielen Fällen lösten selbst erfolglose Initiativen Debatten aus, manchmal auch Reformprozesse, die nach mehreren Anläufen zum Ziel führten.
Heute werden Initiativen nicht mehr nur von linker und grüner Seite genutzt, sondern auch von bürgerlichen und rechten Parteien und Institutionen – insbesondere von der SVP und ihr nahestehenden Organisationen. Häufig dienen Initiativen auch ganz klar als Marketinginstrument für Wahlkämpfe, als Vehikel zur Bewirtschaftung öffentlicher Empörung oder zur Durchsetzung von Partikularinteressen.
Oft sind Volksinitiativen auch schwer umsetzbar, insbesondere dann, wenn sie nicht mit anderen Verfassungsgrundsätzen oder dem Völkerrecht vereinbar sind. Dies führt dann zu Empörung bei den Initianten: Mit sogenannten Durchsetzungsinitiativen macht insbesondere die SVP Druck – auch bei der «Masseneinwanderungs-Initiative» droht sie mit diesem Instrument. Das Beharren auf der wortwörtlichen Umsetzung torpediert die bewährte politische Kultur von Ausgleich und Kompromiss, auf die die Schweiz so stolz ist.
«Eine Art Paradox» ortet Silja Häusermann: «Die immer häufigere Nutzung direktdemokratischer Instrumente ist ein Anzeichen dafür, dass das politische System der Schweiz schlechter funktioniert.» Denn unsere Demokratie sei auf Konsens hin angelegt. Die Volksrechte hätten ursprünglich eine «präventive Wirkung» gehabt: Die politischen Akteure sollten sich zu tragfähigen Kompromissen zusammenraufen, damit Referenden und Initiativen erst gar nicht eingesetzt werden müssten. Nun sei bei diesem fragilen Mechanismus «Sand im Getriebe», sagt Häusermann. Sie sieht dies als «Folge der Polarisierung und des sehr viel schärferen Parteienwettbewerbs».
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