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Didier Burkhalter | Seefahrerliteratur aus der Feder des Staatsmannes

20.03.2019 – Stéphane Herzog

«Mer porteuse», Didier Burkhalters drittes Werk, entstand am Neuenburgersee. Die poetische Prosa dreht sich um Abstammung und die Macht unserer familiären Wurzeln. Eine Hauptrolle in dieser Geschichte eines zurückgelassenen Kindes spielt der Atlantik, Symbol der Trennung, aber auch der Verbindung zwischen den Menschen. Der Altbundesrat schreibt mit geschliffener Feder, so etwa in der Passage, in der die Rauchwolken eines Ozeandampfers das Schiff mit dem Himmel verbindet, «als ob es sich fürchtete, von den Tiefen verschlungen zu werden». Der Schwachpunkt: eine gewisse Trägheit oder Schwülstigkeit in der Formulierung, welche die Indifferenz als «haarsträubend» und den Ozean überdeutlich als «Ozean der Verzweiflung» zu erkennen gibt, der eine der Romanfiguren überwältigt.

Es fällt schwer, der Versuchung zu widerstehen, in der Prosa des ehemaligen Bundespräsidenten und Aussenministers nach seiner liberalen politischen Einstellung zu suchen. So wird Enor, der Nachkomme einer Ahnenreihe, die sich im Meer verliert, Anwalt, jedoch «ohne seine Grundwerte zu verraten». Der Norm entsprechend, entstammt er einer Familie, die Häuser renoviert und dabei «Unternehmen Arbeit gibt, die junge Menschen und Migranten einstellen». Wie es sich gehört, werden diese Wohnungen vorzugsweise an Familien vergeben. Verdienst, Familie und Menschlichkeit: So lautet das Kredo, das diese Seiten beseelt. Was die spirituelle Seite des Romans betrifft, so wird diese in Form einer personifizierten Welle umgesetzt. «Verteilt unter Myriaden von Wassertropfen, die für ebenso viele winzige Leben stehen, kehrt sie mit den Strömungen der Tiefe zurück, um ihre Wunden zu pflegen […]», so stellt es sich der Autor vor.

Diese gezielte Lesart verschwindet jedoch zeitweise dank Didier Burkhalters Lyrik, seiner Liebe zu Orten am Meer, z. B. zum Departement Finistère, aber auch dank eines originellen Aufbaus und seiner Fähigkeit, Mysterien zu schaffen und Spannung zu erzeugen. Es ist eine Geschichte über das Waisenkind Gwellaouen und über Kaelig, zwei europäische Migranten, die sich im Zeitalter der Revolutionen Richtung neue Welt aufmachen. Wie stellt sie sich ihren zukünftigen Ehemann vor? «Er ist anders als die anderen, die sie taxieren, sie wie eine schöne Blume betrachten, die sie pflücken können, um sie ohne Liebe zu besitzen, kurz, um sie dann langsam, ohne Hoffnung in einem stagnierenden Leben verwelken und schliesslich vertrocknen zu lassen. Eine Blume, die nie ihr eigenes Beet hatte, herausgerissen und beschnitten, die niemals nachwachsen wird.»

Didier Burkhalter: «Mer porteuse». Editions de l’Aire, 2018, 194 Seiten CHF 24.00, Euro 24.00

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