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Martin R. Dean | Trinidad und Wynental

06.12.2024 – Beat Mazenauer

Der Basler Autor Martin R. Dean (*1955) hat trinidadisch-schweizerische Wurzeln. In seinem Roman «Meine Väter» (2003) hat er sich mit der väterlichen Seite seiner Herkunft auseinandergesetzt. Im Roman «Tabak und Schokolade» stellt er nun seine Mutter Erna ins Zentrum. Sie ist, wie der Autor, im aargauischen Wynental geboren. Mit 18 begegnete sie in London Ralph, einem Mann aus Trinidad und Vater des Autors. Das Familienglück auf der Karibikinsel währte indes nur kurz, 1960 kehrten Mutter und Sohn in die Schweiz zurück. Bald folgte ihnen ein junger Arzt aus Trinidad, Martin R. Deans zweiter Vater.

MARTIN R. DEAN: «Tabak und Schokolade»Roman. Atlantis Verlag, Zürich 2024. 224 Seiten. 30 CHF. Auch als E-Book erhältlich.

Aus dieser biografischen Konstellation entsteht in «Tabak und Schokolade» eine dreiteilige Recherche über die Mutter, über die eigene Kindheit, über Herkunft und Geschichte. Dean spürt anhand von Fotos der verblichenen Erinnerung den Jahren in Trinidad nach und findet bei einem Besuch auf der Insel eine weit verzweigte Verwandtschaft. Im Wynental dagegen ist seine Jugend situiert, die damals auch gezeichnet war von politischen Initiativen gegen italienische «Gastarbeiter».

An beiden Orten trifft Dean nicht nur auf weit verzweigte Familienbande, er stösst auch auf ein Netz von vielfältigen kolonialen Beziehungen, die ihn selbst stark geprägt haben. Seine Grossmutter war einst aus Rügen (Deutschland) in die Schweiz gekommen, wo sie mit aller Macht versuchte, bürgerlichen Anstand zu wahren und sich von den italienischen Arbeitern in der Stumpenindustrie abzugrenzen. In Trinidad wiederum trifft er auf zwei miteinander rivalisierende Clans, die Sinanans und die Ramkeesoons, die sich in der Person des Vaters Ralph verbinden. Deren Vorfahren waren einst als Plantagenarbeiter aus Indien eingewandert. Auch wenn sie längst zum Establishment Trinidads gehören, ortet Dean Signale dafür, dass die koloniale Vergangenheit unterschwellig virulent geblieben ist. So erklärt er sich die Gewalttätigkeit seines leiblichen Vaters auch als «Gewalt eines Menschen, der, als Teil einer ihrer Traditionen beraubten Gesellschaft, keine moralische Verankerung hatte».

Martin R. Dean war schon immer ausgesprochen wachsam bezüglich rassistischer Benachteiligung und Ausgrenzung, die er als dunkelhäutiger Junge selbst erfahren hat. In seinem Roman stellt er diese familiäre Erfahrung persönlich, anschaulich und klug in einen kolonialgeschichtlichen Zusammenhang.

www.mrdean.ch

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