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Das Schweizer Territorium wird laufend grösser – nicht an der Oberfläche, sondern unter der Erde.
Das Land buddelt sich immer weiter in den Untergrund, wo es mittlerweile rekordverdächtig hohl ist: Die Tunnels, Kavernen, Festungen, Schutzräume, Bunker, Stollen, die unterirdischen Spitäler, Bahnhöfe, Forschungsstätten und Kraftwerke ergäben eine 3750 Kilometer lange Röhre, die von Zürich nach Teheran reichte.
Der Publizist Jost Auf der Maur nimmt uns mit auf eine Reise in den geheimnisvollen Untergrund. Spannende Reportagen geben Einblick in eine Welt, von der viele eine leise Ahnung, aber nur wenige genaue Kenntnisse haben. Auf der Maurs Berichte aus der Unterwelt werden angereichert mit Faktenboxen und einem ausführlichen Serviceteil für alle, die sich ebenfalls in die unteren Stockwerke der Schweiz begeben wollen. Erstaunlich viele Anlagen sind nämlich öffentlich zugänglich.
Der Autor geht ganz nahe heran, behält stets den nüchternen Blick des professionellen Reporters, scheut sich aber auch nicht, kritisch Stellung zu nehmen. Einmal nimmt er einen historischen Blickwinkel ein, dann wieder spricht er ausführlich mit heutigen Zeitzeugen. Eindrücklich sind etwa die Gespräche mit den Mineuren im Gotthard-Basistunnel, der 2016 eröffnet worden ist; eine technische Glanzleistung, die aber auch ihre dunklen Seiten hat. Denn Tunnelbau ist auch heute immer noch ganz hart, die Arbeiter «sehen alle älter aus, als sie sind. Sie verbrauchen sich da unten», schreibt Auf der Maur. Für ihn bleibt unbegreiflich, «dass die Schweiz auch heute noch so nonchalant umgeht mit der Wahrheit über die Verstümmelten, die Invaliden und die Toten, die der Bau der unterirdischen Schweiz während der letzten 150 Jahre gefordert hat». Man dürfe nicht nur jene zählen, die bei Unfällen ums Leben gekommen, sondern auch jene, die etwa an Staublunge oder an den hygienischen Verhältnissen gestorben seien. Auf der Maur nennt die Zahl von rund 10 000 Toten, mindestens 50 000 blieben fürs Leben gezeichnet.
Zu den Glanzlichtern des Buches zählt auch der Bericht des im Zweiten Weltkrieg gebauten Bundesratsbunkers bei Amsteg, der jedoch nie benutzt wurde. Oder die bedrückende Reportage aus der Bunkerstadt Sonnenberg bei Luzern, einer der grössten Zivilschutzanlagen der Welt aus der Zeit des Kalten Kriegs, ein Bauwerk für 20 000 Menschen, das sich jedoch bereits bei Übungen voller Mängel und letztlich als untauglich erwies.
Das Buch macht klar: Man versteht die Schweiz nicht ganz, wenn man ihre Infrastruktur unter der Erde nicht kennt.
Jost Auf der Maur: «Die Schweiz unter Tag. Eine Entdeckungsreise». Echtzeit Verlag, Basel 2017, 139 Seiten, CHF 33.90
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