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Corona
Bund und Kantone arbeiten das Schweizer Corona-Management in Berichten auf. Es gibt viel Selbstlob, einige kritische Hinweise und einen grossen blinden Fleck.
Seit Ende März gelten in der Schweiz keine landesweiten Corona-Schutzmassnahmen mehr. Auf die unerwartete Omikron-Sommerwelle reagierten die Behörden lediglich mit der Empfehlung an über 80-Jährige, den Impfschutz vor schwerem Verlauf mit dem zweiten Booster aufzufrischen. Damit zog die Schweiz ihren vergleichsweise zurückhaltenden Kurs durch. Gesundheitsminister Alain Berset hatte sich schon im Frühjahr auf die Schultern geklopft: «In welchem anderen Land als der Schweiz hätten Sie leben wollen während der Pandemie?», entgegnete der SP-Bundesrat auf eine Journalistenfrage zur Corona-Bilanz. Trotzdem wolle man das Corona-Management «schonungslos» aufarbeiten, versprach Berset.
Seither sind verschiedene Berichte erschienen, so vom Bundesamt für Gesundheit, der Bundeskanzlei, von Parlamentskommissionen und der Konferenz der Kantonsregierungen. Die Pandemiebewältigung kommt darin insgesamt gut weg. Bund und Kantone hätten «meist angemessen und, von Ausnahmen abgesehen, zeitgerecht auf die Covid-19-Bedrohungslage reagiert», halten etwa die vom Bundesamt für Gesundheit beauftragten Expert:innen in ihrer Evaluation fest. Doch es finden sich in den Analysen auch kritische Hinweise. Besonders die Schweizer Krisenorganisation wird als mangelhaft erachtet. Die Behörden seien zudem ungenügend vorbereitet gewesen, etwa bei der Lagerhaltung von Schutzmasken.
Bund und Kantone müssten in einer Pandemie besser zusammenarbeiten, ausserdem sei der Einbezug der Wissenschaft zu klären: So lauten weitere Befunde. Auch hinter einzelne Massnahmen gegen die Virus-Verbreitung werden Fragezeichen gesetzt, namentlich die Schulschliessungen im Frühjahr 2020 und die Isolierung älterer Menschen in Pflegeeinrichtungen. Auffallend wenig beleuchtet wird der Tiefpunkt des Schweizer Vorgehens im Herbst/Winter 2020. Weil die Behörden wegen Uneinigkeit der verschiedenen Staatsebenen erst spät Massnahmen ergriffen und die Impfung da noch nicht verfügbar war, kam es zeitweise zu einer markanten Übersterblichkeit. Ein grosser Anteil der bisher über 13 000 bestätigten Corona-Todesfälle in der Schweiz fällt in diese Phase der zweiten Welle.
Das fatale Zögern wird etwa im BAG-Bericht nur am Rand erwähnt. Bedauernde Worte fand im Rahmen der Aufarbeitung bisher einzig der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektor:innen, der Basler Mitte-Politiker Lukas Engelberger. Auch die in der Schweiz im westeuropäischen Vergleich tiefere Impfquote war noch kein Thema. Die Berichte listen Empfehlungen auf, die meisten zielen auf verbesserte Krisenstrukturen. Welche Änderungen tatsächlich ins Epidemiengesetz und in den nationalen Pandemieplan einfliessen werden, ist offen. Bereits mahnten Stimmen im Parlament und in den Medien, aus der Aufarbeitung müssten wirklich Lehren gezogen werden. Sonst bringe sie nichts.
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