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  • Aus dem Bundeshaus

Die Schweizergarde, eine jahrhundertealte Auslandschweizer-­Gemeinschaft im Vatikan

26.07.2024 – EDA

Haben Sie gewusst, dass der Papst schon seit mehr als 500 Jahren von jungen Schweizer Bürgern bewacht wird? Von den 160 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern im Vatikan haben fast alle einen Bezug zur Schweizergarde.

In prachtvoller Uniform in Blau-Rot-Gelb, die Farben der Familie Medici, und mit erhobenem Haupt stehen die jungen Männer mehrere Stunden am Tag vor dem Domus Sanctae Marthae, um das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche zu bewachen. Gesamtbevölkerung im Vatikan beträgt rund 800 Personen, wovon 135 Mitglieder der Schweizergarde sind. Doch warum sind es ausgerechnet Schweizer Bürger, die den Heiligen Stuhl bewachen? Welche Besonderheiten zeichnen die Schweizergarde als Auslandschweizergemeinschaft aus?

Der geschichtliche Hintergrund

Die Schweizergarde hat ihre Anfänge im 16. Jahrhundert, als die Schweiz für ihre tapferen Krieger in ganz Europa bekannt war. In einer Zeit voller Kriege und Unruhen in Europa hatten Schweizer Söldner einen sehr hohen Stellenwert und waren ein wichtiges «Exportprodukt». Obschon damals in der Schweiz kein zentralisiertes Militär vorhanden war, wussten die Fusssoldaten genau, wie sie ihre Gebiete gegen die Begehrlichkeiten der umliegenden Herrschaftshäuser zu schützen haben. Schweizer Söldner wurden zum Beispiel von der mächtigen Familie Zurlauben (Zug) vom 16. bis im 18. Jahrhundert an ausländische Heere vermittelt.

Ein Offizier der Schweizergarde auf einem Kupferstich von Francisco Villamena (1613): In den Grundzügen hat sich der Gardist seither kaum verändert. Foto Keystone

So kam es, dass auch Papst Julius II im Jahr 1505 Schweizer Söldner zu seinem Schutze anheuern wollte. Also hat er bei der Versammlung von Abgesandten der Schweizerischen Eidgenossenschaft ein Kontingent von Schweizer Soldaten zum Schutze des Vatikans beauftragt. Am 22. Januar 1506 zogen die ersten 150 Gardisten in Rom ein und empfingen den Segen des Papstes. Das war der Gründungstag der Päpstlichen Schweizergarde, welche von da an die Leib- und Palastwache des Papstes wurde.

Damit ist die Pontificia Cohors Helvetica die einzige Truppe aus der Zeit der fremden Dienste, die bis heute überlebt hat. Grossen Ruhm erlangte sie am 6. Mai 1527, als Rom von 24 000 deutschen, spanischen und italienischen Söldnern angegriffen und geplündert wurde – dem sogenannten «Sacco di Roma». Die Schweizergardisten stellten sich den Angreifern entgegen und verschafften Papst Clemens VII Raum und Zeit zur Flucht. Nur 42 von 189 Gardisten überlebten. Der Papst verdankte sein Leben der Schweizergarde. Noch heute werden die neuen Rekruten jeweils am 6. Mai vereidigt, am Gedenktag des «Sacco di Roma».

Die heutigen Aufgaben der Päpstlichen Garde

Im Laufe der Jahre hat sich die Rolle der Garde nicht gross verändert. Die heutigen Gardisten müssen wachsam den Papst vor neuen Gefahren beschützen, etwa vor terroristischen Gefahren. Im Fall einer Papstvakanz (Sedisvakanz) ist die Schweizergarde zudem für den Schutz des Kardinalkollegiums zuständig. Die Garde bewacht auch die offiziellen Eingänge zum Vatikanstaat und leisten Ordnungs- und Ehrendienste. Im Rahmen ihrer Repräsentationsaufgaben steht die Garde ausserdem bei Staatsempfängen zur Verfügung. 

Manuela Leimgruber, die Schweizer Botschafterin beim Heiligen Stuhl, bei Überreichung ihres Beglaubigungsschreibens an Papst Franziskus am 6. November 2023. Foto Vatican Media

Ein Grund, weshalb der Papst über die Jahrhunderte hinweg und trotz diplomatischer Herausforderungen in den bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl an der Garde festhielt, sind ihre Werte. Respekt, Disziplin, Professionalität und hochwertige Qualität zeichnen die Gardisten aus. Die Schweizergardisten werden sowohl in der Schweiz wie auch im Vatikan ausgebildet. Zur Ausbildung gehören regelmässiges Schiesstraining, Kampfsport sowie der Umgang mit der Lanze.

Eine besondere Auslandschweizergemeinschaft

Nicht jeder kann Gardist werden. Um als Gardist in Frage zu kommen, muss man ein praktizierender Katholik sein, Schweizer Bürger, männlich, ledig, zwischen 19 und 30 Jahre alt, mindestens 174 cm gross, gesund, über eine Berufslehre oder Matura verfügen, die Rekrutenschule abgeschlossen haben sowie den Führerausweis der Kategorie B besitzen und bereit sein, sich für 26 Monate zu verpflichten. Damit bilden die Schweizergardisten die homogenste Auslandschweizergemeinschaft der Welt. Man darf aber nicht vergessen, dass im Vatikan nebst den 135 Gardisten auch 25 weitere Schweizer Bürger und Bürgerinnen wohnen. Beim grössten Teil von ihnen handelt es sich um Angehörige der Gardisten. Zudem zählen ein paar wenige Geistliche dazu.

Die Uniformen der Schweizergardisten sind eine bunte Pracht in Blau-Rot-Gelb. Sie ist von den Kleidern der Renaissance und insbesondere von den Fresken des Malers Raffael inspiriert. Foto Keystone

Eine weitere Besonderheit der Auslandschweizergemeinschaft im Vatikan: Alle, die im oder für den Vatikan arbeiten, erhalten für die Dauer ihrer Tätigkeit die vatikanische Staatsbürgerschaft. Damit erhalten die Gardisten sehr schnell, jedoch nur für eine begrenzte Zeit, die Staatsbürgerschaft des Auswanderungslandes.

Besonders ist auch die Staatsform des Vatikans: Es handelt sich um die einzige absolute Wahlmonarchie. In der UNO hat der Heilige Stuhl einen Beobachterstatus. Der Heilige Stuhl unterhält mit über 180 Staaten diplomatische Beziehungen, wovon über 90 eine Vertretung vor Ort haben. Mit seinen über 1,3 Milliarden Gläubigen sowie dem grossen Netzwerk rund um den Globus verfügt der Heilige Stuhl über politische Macht. Diese ist sozusagen umgekehrt proportional zur Grösse des Staatsgebiets.

Päpstliche Garde als Symbol der Schweiz im Vatikan

Trotz dieser politischen Bedeutung und trotz der Existenz der Schweizergarde entschied die Schweizer Regierung erst 2021, eine Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom zu eröffnen. Umgekehrt ist der Heilige Stuhl in Bern seit 1920 mit einem Nuntius («Papstbotschafter») vertreten. Wegen der komplizierten bilateralen Beziehungen, namentlich auch bedingt durch die innenpolitischen Spannungen zwischen der reformierten und katholischen Bevölkerung, musste die Zeit reifen, bis die Schweiz ihre Interessen vor Ort vertreten konnte. 2023 wurde die neue Schweizer Botschaft beim Heiligen Stuhl von Bundesrat Ignazio Cassis und Kardinalsstaatssekretär Pietro Parolin in Rom eingeweiht.

Noch bis in die 1990er-Jahre wurden die bilateralen Beziehungen einseitig über die Nuntiatur in Bern abgedeckt. 1991 ernannte dann der Bundesrat einen Botschafter in Sondermission und ab 2004 einen bevollmächtigten Botschafter, der in einem anderen Staat residierte und in «Seitenakkreditierung» sich um den Heiligen Stuhl kümmerte; zuletzt von Slowenien aus.

Aussenminister Ignazio Cassis unterzeichnet die Urkunde zur Einweihung der Schweizer Botschaft beim Heiligen Stuhl. Links von ihm steht Kardinal Pietro Parolin, der Staatssekretär des Heiligen Stuhls. Foto EDA/Pascal Lauener

Mit der Eröffnung der Schweizer Vertretung beim Heiligen Stuhl in Rom schlug die Schweiz ein neues Kapitel in ihren bilateralen Beziehungen auf. Zeugnis davon ist auch die rege Besuchsdiplomatie. Regelmässig wohnt die Bundespräsidentin, der Bundespräsident der Zeremonie zur Vereidigung der Schweizergardisten am 6. Mai im Vatikan bei. Der hochrangige Besuch im Vatikan bietet auch Gelegenheit für offizielle Gespräche auf höchster Ebene. Verschiedene Päpste besuchten in der Vergangenheit auch die Schweiz: So weilte etwa Johannes Paul II dreimal in unserem Land. Auch Papst Franziskus kam 2018 nach Genf. Er besuchte den Ökumenischen Weltkirchenrat und traf anlässlich seines Besuchs auch Mitglieder der Schweizer Regierung. Die Schweizergarde bildet seit über 500 Jahren ein Fundament in unseren bilateralen Beziehungen. Die Gardisten öffnen der Schweiz auch heute Türen zum Vatikan und helfen damit, die Beziehungen weiter zu stärken. 

www.schweizergarde.ch

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