Peter Stamm erzählt in seinem neuesten Roman «Weit über das Land» vom Verlassen und Verlassenwerden. Diese zwei Perspektiven, erzählt von den Hauptfiguren Thomas und Astrid, werden geschickt ineinander verschachtelt. Die für Stamm typischen kurzen und prägnanten Sätze charakterisieren die Erzählstränge, die durch die Vorstellungswelten der beiden Figuren um hypothetische Möglichkeiten erweitert werden. Thomas, ohne nach dem Grund seines Aufbruches zu fragen, wandert immer weiter. Astrid bleibt im Dorf, im gemeinsamen Haus und muss bald die Suche nach ihrem Ehemann aufgeben. Er ist immer ruhelos in Bewegung und doch in der Landschaft und in seiner Abgeschiedenheit verharrend. Geradezu protokollarisch wird die durchwanderte Gegend beschrieben, grosse Landschaftsbilder entstehen, in denen die Natur zur Metapher der Freiheit wird. Astrid kümmert sich aktiv um den Alltag und die heranwachsenden Kinder und bleibt dabei unbeweglich vor Ort.
Wir alle verspüren manchmal den Drang auszubrechen, stellen uns Fragen nach dem eigenen Leben. Der vorliegende Roman gibt keine Antworten, stellt auch keine Fragen nach Moral, wertet das menschliche Tun nicht. Beleuchtet wird die (Liebes-)Beziehung zwischen Mann und Frau – je weiter sich die zwei voneinander in der räumlichen Distanz entfernen, umso grösser wird ihre innere Verbundenheit. Es baut sich eine Spannung auf, die sich erst nach vielen Jahren löst. Das Wie überlassen wir der Entdeckungsreise des Lesers.
Peter Stamm, 1963 geboren, studierte nach einer kaufmännischen Lehre einige Semester Anglistik, Psychologie und Psychopathologie. Nach längeren Aufenthalten in Paris, New York, Berlin und London, lebt er heute in Winterthur. Er hat seit 1990 als freier Autor mehrere Hörspiele, Theaterstücke, Erzählungen und Romane geschrieben. Sein erster Roman «Agnes» (1998) wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Er gehört zu den wichtigsten heutigen Schriftstellern der Schweiz.
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