Kultur
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Geboren vor sechs Jahrzehnten in Lesotho, als Kind reformierter Missionare mit Wurzeln in der Westschweiz, kam ich als Auslandschweizer 1975 nach Genf, wo ich heute als Verleger tätig bin. Die Grundgrammatik germanischer Sprachen ist mir seit dem obligatorischen Afrikaans-Unterricht meiner Schulzeit in Bloemfontein vertraut, der deutschen Sprache bin ich allerdings nicht mächtig.
Warum ich trotzdem die Leipziger Buchmesse besuche? Seit zehn Jahren arbeite ich für einen Verlag, der Werke Deutschschweizer Autorinnen und Autoren auf Französisch herausgibt und auch Kontakte zu Verlegern aus Deutschland und Österreich unterhält. Leipzig mit seiner kulturellen Dimension ist eine wichtige Adresse, um an Lesungen, Debatten oder informellen Treffen Kontakte zu Autoren zu knüpfen. Wenige Buchmessen bieten eine solche Vielzahl an Veranstaltungen, an denen Wortkünstler und ihr literarisches Schaffen im Mittelpunkt stehen.
Am Donnerstag, dem 13. März, sehen sich der rätoromanische Autor Leo Tuor und sein ebenfalls aus der bündnerischen Surselva stammender Deutschübersetzer Claudio Spescha von jungen Gymnasiasten sorbischer Muttersprache umringt. Diese sind eigens aus der 200 Kilometer entfernten Lausitz in Obersachsen angereist. Die familiär wirkende Begegnung erstaunt mich. Leo Tuor und Claudio Spescha erklären mir dann (auf Italienisch und Französisch!), eine Klasse des sorbischen Gymnasiums in Bautzen habe sie wenige Tage zuvor empfangen, um den neuen, auf Deutsch erschienenen Essay «Cavrein» zu besprechen. Dieser gymnasiale Austausch hat Exponenten zweier Minderheitensprachen zusammengeführt: Sorbisch – eine westslawische Sprache, die von rund 60?000 Personen gesprochen wird, die sich im 6. Jahrhundert in Sachsen niederliessen – und Surselvisch, eines der fünf rätoromanischen Idiome, das von etwa 15?000 Menschen gesprochen wird. Ein solches Zusammentreffen trägt zur Erhaltung der Sprachenvielfalt und der Bibliodiversität bei, sind doch Minderheiten der Schmelztiegel im literarischen Schaffen.
Die Leipziger Buchmesse schenkt der Arbeit der Übersetzer hohe Beachtung und bietet ihnen die Gelegenheit, Berufskollegen zu treffen. Camille Luscher, die junge Übersetzerin von Arno Camenisch («Sez Ner» und «Derrière la gare» von Editions d’En bas), stellt mir einige ihrer Kollegen vor. Wir unterhalten uns über das Übersetzen und die Stolpersteine, vor allem wenn in einer kaum kodifizierten Mundart wie Bärndütsch verfasste Werke ins Französische zu übertragen sind: Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert der Roman «Der Goalie bin ig» von Pedro Lenz, der soeben unter dem Titel «Faut quitter Schummertal!» auf Französisch erschienen ist. Wenn Daniel Rothenbühler und Nathalie Kehrli Pedro Lenz übersetzen, müssen sie die literarische Konstruktion stark an das gesprochene Französisch anlehnen. In Leipzig brachten übrigens Mitglieder der Berner Autorengruppe «Bern ist überall» ihre Texte auf die Bühne. Der frankofonen Welt ist ein solch spielerischer Umgang mit der Sprache eher fremd: Von einem Besuch der Leipziger Buchmesse kann sie also nur profitieren!
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