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  • Aus dem Bundeshaus

Die Geburt des Schweizer Konsularnetzes

04.10.2024 – Luca Panarese, EDA

Verliert eine Schweizerin in Kuba ihre Dokumente, wendet sie sich an das Konsulat. Bringt ein Schweizer Paar in Australien ein Kind zur Welt oder benötigt ein Schweizer in Kenia Unterstützung, dann kontaktieren sie ebenfalls die Schweizer Vertretung vor Ort. Sie alle verlassen sich auf ein Netz, dessen Anfänge weit zurückliegen: Das erste Schweizer Konsulat entstand 1798 in Bordeaux.

Heute ist die Präsenz der Schweizer Vertretungen in der ganzen Welt verwurzelt. In nahezu allen Ländern befindet sich eine Vertretung, die für Fragen und Anliegen der Auslandschweizerinnen und -schweizer als erste Kontaktstelle dient. Dies war aber nicht immer der Fall: Das Netz hat sich in den letzten zwei Jahrhunderten allmählich gebildet, mit Auftakt in Bordeaux im Jahr 1798.

Bereits vor diesem Jahr hatten einzelne Kantone Vertreter mit diplomatischem und konsularischem Charakter bei befreundeten Staaten unterhalten. Gesandtschaften des eidgenössischen Bundes gab es aber noch nicht, da die Eidgenossenschaft bis zum Einmarsch der französischen Truppen Napoleons in die Schweiz lediglich eine lose Verbindung von Orten darstellte, die durch wenige gemeinsame Interessen verbunden waren.

Ende des 18. Jahrhunderts war Europa von den Idealen der Französischen Revolution geprägt. Auch in der Schweiz zirkulierten diese neuen Werte der Freiheit, Brüderlichkeit und Gleich­berechtigung, für die es bereits in den 1790er-Jahren zu vermehrten Demonstrationen und Unruhen kam. Im Zusammenhang mit den Feldzügen Napoleons besetzten die französischen Truppen im März 1798 die alte Eidgenossenschaft und bauten am 12. April 1798 die zentralisierte Helvetische Republik auf.

Marc-Antoine Pellis, ursprünglich aus Romainmôtier, wurde 1798 zum ersten Schweizer Konsul ernannt. Bildquelle: Atelier de numérisation Ville de Lausanne, Margot Roth

Sobald sich die Lage politisch stabilisiert hatte, festigten sich in der Helvetischen Republik im Bereich nationaler und internationaler Politik wichtige Prioritäten. In einer Welt, die wirtschaftlich auch mit Übersee immer mehr verflochten war, gewann die Schweizer Interessenvertretung im Ausland an Bedeutung. Am 25. August 1798 übertrug daher der damalige Minister des Auswärtigen der Helvetischen Republik an Marc-Antoine Pellis das erste Mandat eines helvetischen Konsuls in Bordeaux. So kam es zur Gründung des ersten Konsulats der Schweiz, den ersten Punkt des Konsularnetzes der Schweiz

Kurzprofil von Marc-Antoine Pellis, dem ersten Schweizer Konsul

Der Waadtländer Marc-Antoine Pellis (1753–1809) ist als helvetischer Senator und Politiker bekannt. Als die Ideen der Französischen Revolution europaweit den Geist der Bevölkerung eroberten, kehrte der junge Pellis nach mehreren Europareisen in die Schweiz zurück. Hier nahm er im damals noch unter Berner Herrschaft stehenden Waadtland an Demonstrationen für die Revolution und gegen die bernische Herrschaft teil. Das Scheitern der sogenannten Banketten im Juni 1791 mit der Verhaftung der Organisatoren und mit der militärischen Besetzung des Gebiets zwang Pellis zur Flucht.

Im Jahr 1793 liess sich Pellis als Kaufmann in die am Fluss Garonne gelegene französischen Stadt Bordeaux nieder. Im Jahr 1798 wurde er von der Regierung der nach französischem Vorbild gegründeten Helvetischen Republik zum Konsul ernannt. Drei Jahre später, 1801, gab er die Stelle ab und kehrte in die Schweiz zurück, wo er Mitglied der gesetzgebenden Versammlung und des helvetischen Senats wurde und sich in den darauffolgenden Jahren in der Politik sowohl der Helvetik wie auch des Waadtlandes engagierte.

 

Für die Wirtschaft und für die Gemeinschaft

Nach Bordeaux wurden weitere Konsulate in Marseille, Genua, Nantes und Triest errichtet. Dass die ersten fünf Konsulate in grossen europäischen Hafenstädten eingerichtet wurden, ist kein Zufall: Es waren insbesondere wirtschaftliche Interessen, welche die Gründung schweizerischer Konsulate ins Leben riefen. In einer Zeit, in der Dampfschiff, Eisenbahn und Telegraf den internationalen Warenaustausch noch nicht revolutioniert hatten, waren die direkten wirtschaftlichen Beziehungen vor Ort von besonderer Bedeutung. Diese Hafenstädte waren Knotenpunkte des internationalen Warenhandels und galten als Ankunftshäfen von Routen, die Europa mit Übersee und mit den europäischen Kolonien in Afrika und Asien verbanden.

Wenn auch die wirtschaftliche Interessenvertretung als das Hauptargument für die Gründung der ersten Konsulate gilt, ist es doch nicht das einzige: Auch die Anwesenheit und der Zusammenschluss von Schweizer Kolonien in den genannten Hafenstädten förderten die Gründung eidgenössischer Vertretungen. Hier waren Schweizer Kauf- und Handelsmänner ansässig, und die Städte waren teilweise Sammelzentren für die Auswanderer nach Übersee. Die Schweiz war nämlich seit Mitte des 16. Jahrhunderts ein Auswanderungsland: Bevölkerungsdruck, Not und Unterbeschäftigung drängten vor allem junge Schweizerinnen und Schweizer zur Auswanderung. Neben den Kaufleuten liessen sich auch Söldner, Erzieherinnen, Handwerker, Forschende und Akademiker zuerst in zahlreichen europäischen Städten und ab dem 19. Jahrhundert vermehrt auch in Übersee nieder. Den Bedürfnissen folgend, wurde 1819 das erste Schweizer Konsulat in Übersee gegründet, in der brasilianischen Küstenstadt Rio de Janeiro. Einige Jahre später, 1822, folgte ein Konsulat in New York.

 

Urs Badertscher, der letzte Schweizer Generalkonsul in Bordeaux (2005–2008), hält eine Rede zum Anlass der Schliessung des Konsulats im Cours Xavier Arnozan. Foto Jean-Michel Begey

Die Konsuln, die das ehrenamtliche Mandat erhielten, waren hauptsächlich in den Städten bereits ansässiger Schweizer Staatsangehöriger. Lange Zeit waren ihre Aufgaben nicht genau definiert, und sie mussten sich auf dem Korrespondenzweg oder durch persönliche Unterredungen nach ihren Pflichten erkundigen. Diese waren etwa Pässe zu besorgen, der Regierung über das Betragen der helvetischen Bürger Bericht zu erstatten oder über die Einhaltung der zwischen den zwei Staaten abgeschlossenen Verträge zu wachen. Und, wie 1799 der Schweizer Konsul in Marseille, Vincent Perdonnet, an den eidgenössischen Minister des Auswärtigen Louis-François Bégoz schrieb, «denen, die durch Unglück oder Ungerechtigkeit in Not geraten sind, eine brüderliche Hand zu reichen und andere vor den verhängnisvollen und abscheulichen Auswirkungen von Hass und Betrug zu schützen».

Seit über 225 Jahren in den Diensten der Fünften Schweiz

Seit der Ernennung von Marc-Antoine Pellis als erster Konsul in Bordeaux hat das Konsularnetz der Schweiz viele Jahre auf dem Buckel. Das Netz hat sich laufend erweitert, und eine geregelte Aufteilung von diplomatischen, konsularischen und wirtschaftlichen Aufgaben wurde definiert. Auch heute entwickelt sich das Netz ständig weiter und passt sich den neuen Bedürfnissen der Zeit an. Konstant bleibt aber die Kernaufgabe der Konsulate: Weltweit die erste Kontaktstelle für Schweizer Staatsangehörige darzustellen.

Das Schweizer Konsularnetz steht den Schweizerinnen und Schweizern bei zahlreichen administrativen Anliegen zur Seite und bietet subsidiäre Unterstützung, solange das Prinzip der Eigenverantwortung eingehalten wurde und weitere Bedingungen erfüllt sind.

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