Gesehen
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Würde heute – was wir in absolut keiner Weise hoffen – ein Atomreaktor durchschmelzen und die Geigerzähler ausschlagen: Die Bilder zur Havarie gingen innert Stunden um die Welt. Verstörend anders verhält es sich mit den Bildern des grössten schweizerischen Atomunfalls: Sie werden erst jetzt – 50 Jahre später – Teil des allgemeinen Bildgedächtnisses. Und sie wirken wie der späte Beleg dafür, dass die vielzitierte «Macht der Bilder» manchmal auch ganz ausbleibt.
Was war passiert? Im Kernreaktor von Lucens (VD), gebaut in einer Felskaverne, kam es am 21. Januar 1969 zur Kernschmelze, dem grössten anzunehmenden Unfall (GAU). Der Reaktor wurde zerstört, die Anlage im Berg stark verstrahlt. Die Schweiz entging knapp einer atomaren Katastrophe. Etwas lädt die unspektakulär und seltsam aufgeräumt wirkenden Bilder von damals im Nachhinein auf. Der diskret behandelte GAU von Lucens zerstörte nämlich nicht nur den Traum der Schweiz, AKWs von Grund auf selber zu bauen. Gemäss neuerer historischer Forschung hat der Unfall auch wesentlich dazu beigetragen, dass die Schweiz ihre Pläne begrub, eine eigene Atombombe zu entwickeln. Noch 1958 erklärte der Bundesrat öffentlich, der Armee müssten zum Schutz der Schweiz die wirksamsten Waffen zur Verfügung stehen: «Dazu gehören die Atomwaffen.» Der Reaktor von Lucens hätte wohl das für Waffen benötigte Plutonium erbrüten können, sagt der in der Sache forschende Historiker Michael Fischer. Und Historiker Jürg Stüssi-Lauterburg, der Einsicht in noch immer unter Verschluss stehende Akten erhielt, sagt: «Ja, die Schweiz war ein atomares Schwellenland.» In Lucens ist sie auf dieser Schwelle gestolpert.
Die abgebildeten Fotografien stammen aus dem Bilderdossier «Lucens» von SDA-Keystone. Sie wurden dieses Jahr von zahlreichen Schweizer Medien publiziert.
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