Schwerpunkt
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Schwerpunkt
Über ein Jahr ist es her, seit die Schweizerische Nationalbank den Mindestkurs zum Euro kappte. Dies hat bisher über 10 000 Arbeitsstellen gekostet und das Wirtschaftswachstum halbiert.
Es war ein schwieriger Moment für Thomas Jordan, als er am Donnerstag, dem 15. Januar 2015 vor die Medien trat. Der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) war spürbar angespannt, denn sein Entscheid, der wenige Stunden zuvor um 10.30 Uhr verkündet worden war, löste ein Beben auf dem Devisenmarkt aus: Der Euro-Franken-Mindestkurs von 1.20 galt nicht mehr.
Das dreiköpfige Direktorium der Nationalbank setzte anstelle des Mindestkurses nun auf Negativzinsen: «Damit die Aufhebung des Mindestkurses nicht zu einer unangemessenen Straffung der monetären Rahmenbedingungen führt, senkt die Nationalbank die Zinsen deutlich», sagte Jordan damals. Die Einführung eines Strafzinses von minus 0,75 Prozent auf Bankguthaben sollte Anleger abschrecken, ihr Geld in Franken zu parkieren – und dafür sorgen, dass sich der Franken nicht zu stark aufwertet. Das gelang bedingt: In den wichtigen Krisen der letzten Monate floss weniger Geld in die Schweiz, der Aufwertungsdruck war selbst in Situationen wie bei der Griechenlandkrise im Sommer milder als in Vorjahren.
Die Schweiz ist seit dem 15. Januar 2015 jedenfalls das einzige kleine Land mit einer sehr offenen Volkswirtschaft, das auf jegliche Anbindung an grössere Währungsräume verzichtet – mit Folgen, die weiterhin zu spüren sein werden, auch wenn sich die anfängliche Aufwertung des Frankens um fast 20 Prozent gegenüber dem Euro unterdessen halbiert hat. Zwar ist die Schweizer Wirtschaft nicht in eine Rezession abgerutscht, doch der Frankenschock hat tiefe Spuren in der Industrie, im Handel und Tourismus hinterlassen.
Die Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Wechselkurses ist noch immer gross: «Seit der Finanzkrise 2008 ist das geldpolitische System aus den Fugen geraten, seither muss die Schweiz jegliche Nervosität auf den Finanzmärkten mit ihrer Währung ausbaden», sagt Martin Neff, Chefökonom der Raiffeisen-Gruppe. Aus seiner Sicht befinden wir uns seit 2008 in einer aussergewöhnlichen Aufwertungsphase, die sich nur mit den schwierigen Jahren nach 1973 vergleichen lasse. Damals wurden in der Schweiz rund zehn Prozent der Arbeitsplätze gestrichen. Diese Ansicht teilt auch der Ökonom Bruno Müller-Schnyder, der die Kosten der Aufgabe des Mindestkurses in einem Papier zu erfassen versucht hat. Diese seien auf verschiedenen Gebieten zu beobachten:
Konjunktur: Die Abkoppelung vom Euro hat die zuvor schwungvoll laufende Wirtschaft gelähmt. Statt mit einem Wachstumstempo von 1,9 Prozent wie 2014 bewegte sich die Schweizer Wirtschaft 2015 laut jüngsten Schätzungen nur noch mit mageren 0,7 Prozent vorwärts. Im Gegensatz dazu expandierte die Wirtschaft in den EU-Ländern um 1,8 Prozent. Auch im laufenden Jahr wird die Schweiz mit plus 1,1 Prozent gemäss KOF punkto Wachstum deutlich hinter Deutschland (plus 1,8 Prozent) zurückbleiben.
Arbeitsmarkt: Lahmt die Wirtschaft, steigt nach einer gewissen Zeit die Arbeitslosigkeit. Im Januar 2016 stieg die Arbeitslosenquote auf 3,8 Prozent – ein Jahr zuvor lag sie bei 3,5 Prozent. Insgesamt sind nun 163 000 Menschen als arbeitslos registriert, das sind 8,4 Prozent mehr als im Januar 2015. Das ist der höchste Stand seit April 2010. Betroffen sind Betriebe, die vorwiegend in der Schweiz produzieren und von den tieferen Einkaufpreisen im Ausland nur wenig profitieren. Dazu zählen die klassischen Industriezweige wie Metall, Elektrotechnik, Uhren sowie der Maschinen- und Fahrzeugbau. «Wir rechnen mit einem weiteren Arbeitsplatzabbau in der Industrie», sagt Neff. Und Valentin Vogt, Präsident des Arbeitgeberverbandes, geht davon aus, dass die Frankenaufwertung bis Mitte 2016 rund 20 000 Arbeitsplätze kosten wird. Derweil sinken die Arbeitslosenzahlen in Europa: Deutschland meldet die tiefste Arbeitslosigkeit seit 1991. In den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern, die an die Schweiz angrenzen, ist die Quote im Dezember auf 3,7 Prozent beziehungsweise 3,4 Prozent gesunken.
Strukturwandel: Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts verschleiert, dass sich die Schweizer Industrie in einer Rezession befindet und schrumpft. Seit 2008 sind hier rund 45 000 Arbeitsplätze weggefallen. Die auslandorientierten Betriebe haben mit Verzicht auf die Gewinnmarge versucht, ihre Marktanteile auf den Auslandmärkten zu halten. Doch nun setzen sie vermehrt auf die Beschaffung im Ausland, Verlagerungen, Kostenersparnisse, Stellenabbau. Nach dem Ende des Mindestkurses fehlt ihnen die Planungssicherheit für Investitionen. «Die exportorientierten Firmen haben die Frankenaufwertung noch nicht bewältigt», sagt denn auch Daniel Küng, Chef von Switzerland Global Enterprise, der Organisation für Aussenwirtschaftsförderung. «Im letzten Sommer wussten viele Unternehmen schlicht nicht, wie sie die Aufwertung verkraften sollen, wie sie Absatz und Gewinnmarge halten können.» Seither habe sich die Lage etwas entspannt, dank einem leicht schwächeren Franken. «Die Unternehmen haben die Produktivität gesteigert, Arbeitszeiten verlängert, vermehrt im Ausland eingekauft, Prozesse verlagert oder eingestellt», weiss Küng aus einer Firmenbefragung. «In der Schweiz hat eine Deindustrialisierung eingesetzt», konstatiert wiederum Franz Jaeger, erfahrener Wirtschaftspolitiker und emeritierter Wirtschaftsprofessor an der Universität St. Gallen. Die Schweizer Wirtschaft werde einer tiefgreifenden Strukturanpassung unterzogen, «die jedoch auf verzerrten, das heisst realwirtschaftlich nicht gerechtfertigten Wechselkursen basiert», kritisiert Bernd Schips, ehemaliger Leiter der Konjunkturforschungsstelle KOF an der ETH.
Einkaufstourismus: Für die meisten Leute ist die unmittelbarste Folge des stärkeren Frankens, dass sie nun billiger Ferien im Ausland machen können und ihre Einkäufe auf der anderen Seite der Landesgrenze günstiger werden. Der überbewertete Franken in der Tasche hat die Schweizer angespornt, viel öfter ins Ausland zu gehen: Im letzten Jahr haben sie die Summe von rund 12 bis 13 Milliarden Franken jenseits der Grenze ausgegeben. Dem Schweizer Detailhandel entgehen wegen der verzerrten Währungsrelationen Milliarden von Franken an Umsatz. In den Innenstädten von Basel und Zürich haben zahlreiche Ladengeschäfte den Betrieb sogar aufgegeben. Und der Schweizer Tourismus musste bei den Gästen aus Europa umgekehrt empfindliche Einbussen hinnehmen: Um 4,3 Prozent sank die Zahl der Logiernächte von Europäern, in den Bergregionen war der Rückgang noch ausgeprägter. Die wachsende Zahl chinesischer Touristen kann dieses Manko nur teilweise ausgleichen, weil die Asiaten für Unterkunft und Essen bloss einen Bruchteil des Betrags von europäischen Gästen zahlen.
Deflation: Die Frankenaufwertung hat dazu geführt, dass die Importpreise massiv gesunken sind. Das hat die Konsumentenpreise im Dezember auf minus 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gedrückt. Eigentlich müsste die Nationalbank für Geldwertstabilität sorgen. Seit mehreren Jahren sinken jedoch die Preise.
Sparen: Der Negativzins und das ultratiefe Zinsniveau belastet Sparer und Pensionskassen, die auf ihren Geldanlagen kaum mehr Rendite erzielen. Als konkrete Folge der Negativzinsen rechnet der Pensionskassenverband Asip mit einer direkten Belastung von rund 400 Millionen Franken. Allerdings hätte der Leitzins vermutlich auch bei Weiterführung des Mindestkurses in den negativen Bereich gesenkt werden müssen.
Die Kosten der Mindestkurs-Aufhebung belasten die Wirtschaft so stark, weil der Franken so schlagartig erstarkte. Eine langfristige Betrachtung über 40 Jahre zeigt, dass sich der Aussenwert des Frankens gegenüber 27 Ländern – bereinigt um Inflation – im Schnitt jährlich bloss um 0,4 Prozent erhöht hat. Phasen mit einer kontinuierlichen Aufwertung sind für die Wirtschaft ohne weiteres verkraftbar.
Der plötzliche Fall des Euro nach der Aufgabe des Mindestkurses von 1.20 auf etwa 1.02 Franken hat die Nationalbank – neben der Einführung der Negativzinsen – nach dem Januar 2015 jedoch zu Interventionen am Devisenmarkt bewogen. «Die Aufwertung des Frankens ist so stark, dass sie nicht ohne schädliche Folgen in der Exportindustrie und im Tourismus bleiben kann», sagte Serge Gaillard, Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung. Im Sommer 2015 stabilisierte die Nationalbank den Kurs während der erneut aufflammenden Griechenlandkrise bei etwa 1.04 Franken mit dem Einsatz von rund 18 Milliarden Franken an Devisenkäufen. Ein Frankenkurs in der Nähe von Parität zum Euro wurde als zu schädlich für die Schweizer Wirtschaft eingestuft. Im Januar konnte die SNB den Kurs bei etwa 1.10 Franken halten.
In der Bilanz der SNB sind die Spuren der Devisenkäufe abzulesen: Von Januar 2015 bis Januar 2016 kletterten die Devisenreserven erneut um 77 Milliarden Franken und summieren sich nun auf 575 Milliarden. Etwa die Hälfte dieses Anstiegs ist auf SNB- Interventionen zurückzuführen, der Rest auf die leicht erstarkten Auslandwährungen und Erträge auf Fremdwährungsanlagen.
Und die Kritik am Kurs der Nationalbank hat zugenommen. Die Währungshüter wiederholen zwar seit dem Januar 2015 unablässig, dass es keine Alternative zur Abkopplung vom Euro gegeben habe. Diese Rhetorik wird aber nicht von allen Ökonomen geteilt. Für Wirtschaftsprofessor Jaeger steht fest, dass es energischere Interventionen braucht. «Die Nationalbank muss den Franken schwächen», forderte er im vergangenen November. Ökonom Bruno Müller empfiehlt wiederum – wie eine Reihe von Professoren – einen neuen Mindestkurs gegenüber einem Währungskorb aus zwei Einheiten Euro und einer Einheit Dollar.
Gegenwärtig deutet jedoch vieles darauf hin, dass die Nationalbank keinen radikalen Kurswechsel anstrebt, sondern mit einem impliziten Mindestkurs arbeitet, der nicht öffentlich deklariert wird. Mit dem gegenwärtigen Kursniveau von etwa 1.10 Franken zum Euro hat sie die Situation für grosse Teile der Schweizer Wirtschaft immerhin schon deutlich verbessern können.
Kommentare
Kommentare :
Davon betroffen bin ich in zweierlei Hinsicht ; zum Einten der Wert meiner Aktien , die in dieser Rezession merklich nachgegeben haben ; und dann der festere CHF Wechselkurs , welche mir eine hoehere Rente in Thai Baht bescherrt .-
Allen Respekt Ihnen gegenüber und viel Glück weiterhin.
Das vorhersehbare desaströse Eurodebakel der Nationalbank.
Der Umstand, dass jenseits der schweizer Grenze die Welt nicht aufhört. Ebenso, dass sich der CFR infolge seiner Eigenschaft als geradezu ideales Spekulatiionsobjekt an-
bietet, verbunden mit dem vorhandenen internationalen Ri-
sikopotenzial, lässt doch nur einen einzigen Schluss zu.
Wechsel der Währung. Denn zur Zeit sind wir noch in der Lage zu verhandeln. Aufgrund der obwaltenden Umständen ist es doch abzusehen, dass der CFR kurzfristig durch die Decke gehen wird. (Dasselbe, ein wenig anders, gilt auch für einen Eintritt in die EU)
Es ist mir bewusst, dass aufgrund meiner nüchternen Ana-
lyse ein wahrer Tsunami der Empörung aufkommen wird. Ich kann damit leben, Denn die Erfahrung meiner letzten 50(fünzig)Jahren beweisen mir immer wieder folgendes. Je lauter das Wehgeschrei und je dicker die Krokodilstränen,
desto näher bin ich bei der WAHRHEIT.
Die Nationalbank treibt da ein Spiel das Schweizervermögen vernichtet und zwar der Schweizer Bevölkerung seines.
Wenn die Wirtschaft endlich mal mehr für die Produktion tun würde als nur in Gebäude und aufgeblasene Verwaltung inkl. den Manager die horrende Bonus abstauben. Dann würde das ganze anders Ausschauen aber eben der kleine kann sehen wo er bleibt. Das gleiche gilt für die Bundesverwaltung und Parlament mit überbezahlten Bundesrat. Da wird nichts grossartiges gemacht sondern nur kassiert.
Andersherum sind die hohen Kontogebühren für Auslandschweizer. 6.-CHFR pro Monat sind für die Bank, bei 2000.-CHFR Rente = 3.6% Bruttorendite. Dazu kommt für die Konvertierung in EURO nochmals ca. 5% für die Bank. Also eine Belastung für den Rentner von ca. 8,6% auf seine Einkünfte. Also wiederum ein gutes Geschäftsmodell für die Banken.