Ein Dutzend Männer und Frauen versammelte sich im Spätsommer 2022 in der Bundesstadt. Sie arbeiteten beharrlich, diskutierten rege mit online zugeschalteten Gleichgesinnten – und reihten sich am Ende der Sitzung für ein Gruppenselfie auf: alle strahlend, alle die Daumen hoch. Was spielte sich da ab? Die Grünliberale Partei (GLP) gründete ihre internationale Sektion, die GLP International. Der Schritt schien der Partei folgerichtig, denn schon an den letzten Eidgenössischen Wahlen, 2019, erzielten grünliberale Kandidaten Achtungserfolge.
Die Gründung im kleinen Kreis ist der Beleg für einen grösseren Trend: Insbesondere die wählerstarken politischen Parteien der Schweiz gewichten die Rolle der Auslandschweizer:innen, die stimmen und wählen wollen, zunehmend stärker. Die sechs grössten Parteien verfügen nach dem Schritt der GLP nun alle über eine Auslandssektion oder über ein Netzwerk für Parteimitglieder im Ausland.
Um rund 4,7 Prozent pro Jahr: So stark steigt in der Fünften Schweiz im Schnitt die Zahl der registrierten Stimmberechtigten.
Die Zahl der Wählenden in der Fünften Schweiz steigt stetig
Das ist nicht weiter verblüffend, denn die Zahl der im Ausland lebenden und politisch interessierten Schweizer:innen, die im Stimm- und Wahlregister eingetragen sind, steigt stetig. Zählte man 2017 rund 181 000 eingetragene Stimmberechtigte, so waren 2021 bereits deren 218 000 registriert.
Hält der Trend an, dürften es im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen vom 22. Oktober dieses Jahres bereits 230 000 sein. Das heisst auch: Während die Zahl der Auslandschweizer:innen im Schnitt um rund 1,4 Prozent wächst, wächst die Zahl der registrierten Stimmberechtigten gut dreimal stärker – im Schnitt der letzten vier Jahre um 4,7 Prozent. Das verändert das politische Gewicht der Fünften Schweiz. Verglich man ihr Potenzial über Jahre hinweg mit jenem des Kantons Thurgau (178 000 Stimmberechtigte), schloss sie – was die Zahl der registrierten Stimmberechtigten anbelangt – inzwischen zu den Kantonen Tessin und Wallis auf. Anders gesagt: Bei knappen Rennen können die Stimmen aus dem Ausland zunehmend entscheidend sein.
«Die Wahlbeteiligung der Fünften Schweiz ist ohne E-Voting rund einen Drittel niedriger als mit E-Voting.»
Sandro Liniger
SP-Vertreter
Für die politischen Parteien bleibt es freilich unvermindert anspruchsvoll, den Wähler:innen im Ausland gerecht zu werden. Zwar «investieren» nun die sechs grössten Schweizer Parteien alle in die Fünfte Schweiz. Überaus prägend bleibt aber, dass die eidgenössischen Wahlen letztlich kantonal organisiert sind. Darauf weist auch Yannik Beugger vom Generalsekretariat der SVP hin: «Die Nominierung der Kandidatinnen und Kandidaten liegt in der Verantwortung der Kantonalparteien.»
Kein Wahlkreis «Fünfte Schweiz»
Der Grund fürs grosse Gewicht der Kantonalparteien ist rasch erklärt: Es gibt schlicht keinen Wahlkreis «Fünfte Schweiz»; stimmberechtigt sind die Auslandschweizer:innen jeweils in ihrem Heimatkanton. Und kandidieren können sie auch nur dort. Sie bilden somit insgesamt eine sehr fragmentierte Wählerschaft und keine «politische Einheit».
Die SVP International, so Yannik Beugger, werde nun zumindest dort das Gespräch mit Kantonalparteien suchen, wo sich eigenständige Auslandschweizerwahllisten anböten.
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Der Begriff 'Auslandschweizer' schliesst alle ein, die sich als Schweizer Bürger im Ausland aufhalten und konsularisch registriert sind, gleichwohl ob sich dies um einen relativ kurzfristigen Auslandaufenthalt handelt, ob schon lange ausgewandert oder sogar im Ausland geboren. Es wäre aufschlussreich zu wissen, wie sich die Zahl der im jeweiligen kantonalen Stimm- und Wahlregister eingetragenen Schweizer und Schweizerinnen insgesamt zur Gesamtzahl der Fünften Schweiz verhält. Weiter wäre es interessant zu wissen, wieviele von diesen Stimm- und Wahlberechtigten erst seit kurzem im Ausland sind, also eine grosse Möglichkeit der Rückkehr in den Schweizer Alltag besteht, und wieviele dann auch tatsächlich wieder den ausländischen Wohnort in die Schweiz verlegen. Ich selbst lebe schon seit mehr als 50 Jahren in Kanada und hatte mich seinerzeit zwar über die Möglichkeit am politischen Geschehen in der Schweiz teilzunehmen, als ein wahrscheinlich noch aus der Söldnerzeit bestehendes Zeugnis schweizerischer Eigenschaft und Demokratie, gefreut, aber dann trotzdem freundlich abgelehnt. Es ist nicht so, dass mir das Geschehen in meinem Geburts- und Heimatland etwa gleichgültig ist, Verwandte, Media und zeitweilige Besuche unterrichten mich darüber gut. Es ist vielmehr der Umstand, dass ich mit permanentem Wohnort in Kanada nie mit den Folgen meiner 'Stimme in Absentia' zu leben hätte, und empfinde dies zumindest als diskussionswürdig. Ich weiss, es kann kein Unterschied im Schweizer Bürgerrecht gemacht werden, und jenen die ihr Stimmrecht im Ausland wahrnehmen wollen, kann und soll es nicht vorenthalten werden. Teilnahme or Nicht-Teilnahme ist letzten Endes eine persönliche Entscheidung - wie für jene die in der Schweiz wohnen.
Die Vorstellung der Parteien vor der Wahl 2023 war sehr schön, danke.
Un grand merci à la Revue Suisse de nous tenir régulièrement informés de choses qui se passent dans notre adorable pays. Pour étrange qu’il puisse paraître, lorsqu’on s’en trouve dehors, on a d’avantage besoin de s’en sentir attaché.
Meilleures salutations.
Bien cordialement.
Bis das Stimmcouvert hier am Philippinischen Wohnsitz ankommt, sind die Wahlen bereits vorbei. Das selbe galt in China (13 Jahre)! Wieso sie das E-Voting wieder abgeschafft haben, weiss keiner. Schade!